Elternteil beantragt keinen Kindesunterhalt

Frau Faehrt Kinder Im Lastenfahrrad iurFRIEND® AG

Freitag, 14.07.2023, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Ein minderjähriges Kind sollte nach der Trennung seiner Eltern erwarten dürfen, dass es Kindesunterhalt gezahlt bekommt. Bleibt die Zahlung aus, ist es Aufgabe des Kindes oder vielmehr seines betreuenden Elternteils, den Unterhalt einzufordern. In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, in denen sich die betreffenden Elternteile aus emotionalen oder organisatorischen Gründen scheuen, den Kindesunterhalt einzufordern. Abgesehen davon, dass der Verzicht auf zukünftigen Unterhalt nicht erlaubt ist – wie können Minderjährige doch zu ihrem gesetzlich verbrieften Recht auf Unterhaltszahlungen kommen?

Kann man auf Kindesunterhalt verzichten?

Der Kindesunterhalt hat den Zweck, dazu beizutragen, dass der tägliche Lebensbedarf des Kindes gewährleistet werden kann. In diesem Sinne bestimmt § 1614 BGB unmissverständlich, dass zumindest für die Zukunft auf den Unterhalt nicht verzichtet werden darf. Es würde dem unterhaltspflichtigen Elternteil also keinen Vorteil bringen, das Kind dazu zu bewegen, auf seinen Unterhaltsanspruch zu verzichten. Hinzu kommt, dass das minderjährige Kind ohnehin keine derartige Erklärung abgeben könnte, da es durch den betreuenden Elternteil als gesetzlichen Vertreter rechtsgeschäftlich vertreten wird.

Was ist, wenn der betreuende Elternteil keinen Kindesunterhalt will?

Fordert der betreuende Elternteil den Kindesunterhalt jedoch nicht ausdrücklich ein, wird auch der unterhaltspflichtige Elternteil nicht motiviert sein, den Unterhalt zu bezahlen, vor allem, einmal damit anzufangen. Der betreuende Elternteil handelt durch sein Unterlassen rechtswidrig, da auf Kindesunterhalt nicht verzichtet werden kann.

 

Eine andere Frage ist, ob der Elternteil den Unterhalt schlicht nicht geltend macht, ohne dass damit ein (aktiver) rechtlicher Verzicht verbunden wäre. Es lässt sich dann vermuten, dass der betreuende Elternteil auf den Kindesunterhalt dann finanziell nicht angewiesen ist und der Lebensbedarf des Kindes durch den Unterhalt des betreuenden Elternteils gewährleistet ist.

 

In beiden Fällen ist es für das Kind naturgemäß schwierig, den Elternteil zu motivieren, die Forderung vorzutragen. Da das minderjährige Kind rechtsgeschäftlich nicht handlungsfähig ist, ist es auf das Engagement des Elternteils angewiesen. Unmittelbar zwingen kann es den Elternteil nicht. Was also tun?

Unterhalt beantragen ist einfach

Manche betreuende Elternteile schrecken offensichtlich davor zurück, den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Zahlung des Kindesunterhalts aufzufordern. Meist gibt es irgendwelche emotionalen Hemmschwellen. Elternteile

  • scheuen die Konfrontation oder
  • sind zu eitel oder stolz nach der Trennung, den anderen Elternteil um Unterhalt zu „bitten“ – wobei dies eben keine „Bitte“ ist, sondern eine unterhaltsrechtliche Geltendmachung.

Am besten in Schriftform

Um Unterhalt einzufordern, braucht es kein persönliches Gespräch. Es genügt und erscheint oft auch als zweckmäßig, die Forderung nach Kindesunterhalt schriftlich vorzutragen. Dies ist umso empfehlenswerter, als dadurch nachweisbar wird, dass der Unterhalt gefordert wurde, falls der unterhaltspflichtige Elternteil die Forderung nachträglich bestreitet.

Aufforderung sichert ab dem Zeitpunkt Unterhalt für die Vergangenheit

Hinzu kommt, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur geltend gemacht werden kann, wenn der Unterhaltspflichtige ausdrücklich aufgefordert und in Verzug gesetzt wurde, entweder Unterhalt zu zahlen oder zur Bezifferung des Unterhalts Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen (§ 1613 BGB). Kommt es dann erst nach Monaten zur Zahlung, muss der Unterhaltspflichtige auch rückständige Unterhaltsbeträge zahlen, wenn er bzw. sie ordnungsgemäß in Verzug gesetzt wurde.

Bei resistenter Haltung Anwalt mit der Forderung betrauen

Rechnen Sie als betreuender Elternteil damit, dass der Unterhaltspflichtige die Zahlung des Kindesunterhalts aller Wahrscheinlichkeit nach verweigert oder die Forderung inhaltlich beanstandet, lassen Sie sich gar nicht erst auf eine Konfrontation ein. Es ist wesentlich zielführender, von vornherein einen im Unterhaltsrecht erfahrenen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu beauftragen, den Unterhalt einzufordern und den Unterhaltsanspruch gegebenenfalls auch gerichtlich geltend zu machen.

Wann muss der andere Elternteil keinen Unterhalt zahlen?

Es gibt auch Fälle, in denen der an sich unterhaltspflichtige Elternteil trotzdem keinen Unterhalt leisten muss und es von vornherein wenig Sinn macht, wenn der betreuende Elternteil Unterhalt einfordert. Verdient nämlich der betreuende Elternteil deutlich mehr als der andere, erscheint es ungerecht, den nicht betreuenden Elternteil ausschließlich für den Barunterhalt des Kindes verantwortlich zu machen und den anderen Elternteil trotz des höheren Einkommens nicht am Barunterhalt zu beteiligen.

 

Insoweit wird der unterhaltspflichtige Elternteil ausnahmsweise entlastet, wenn zwischen den Elternteilen aufgrund der Einkommensunterschiede ein finanzielles und ungerecht erscheinendes Ungleichgewicht besteht. Ein solches Ungleichgewicht hat der Bundesgerichtshof für den Fall bestätigt, dass der betreuende Elternteil ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen als der nicht betreuende Elternteil erzielt (BGH FamRZ 2013, 1558). Bei einem dreifachen Einkommen des betreuenden Elternteils erreiche die Einkommensdifferenz eine Grenze, an der es dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht, den betreuenden Elternteil überwiegend oder ausschließlich für den Barunterhalt des Kindes verantwortlich zu machen und den weniger gut verdienenden nicht betreuenden Elternteil zu entlasten.

Kann das Kind den Unterhalt über das Jugendamt (alleine) geltend machen?

Auf schriftlichen Antrag eines Elternteils wird das Jugendamt als Beistand des Kindes und damit als gesetzlicher Vertreter des Kindes tätig, wenn das Kind Unterhaltsansprüche geltend machen möchte. Gemäß § 1713 SGB VIII kann den Antrag aber nur

  • ein Elternteil stellen, dem die elterliche Sorge für das Kind allein zusteht
  • oder in dessen Obhut sich das Kind befindet
  • oder ein von den Eltern berufener Vormund.

Das Kind ist insoweit nicht antragsberechtigt und auf die rechtliche Vertretung seines betreuenden Elternteils angewiesen.

 

Zur Lösung des Problems könnte in Betracht gezogen werden, dass für das Kind (auf Anregung des Kindes und des Jugendamtes) für Angelegenheiten, „an deren Besorgung die Eltern und der Vormund verhindert sind“ ein Pfleger bestellt wird (§ 1909 BGB). Der gerichtlich bestellte Pfleger könnte dann den Antrag beim Jugendamt stellen. Da dieser Weg aufwendig ist, erscheint er nicht unbedingt als sinnvolle Empfehlung.

Kostenübernahme, wenn Sie nicht über genügend Geld für eine Unterhaltsberechnung verfügen

Fordern Sie als betreuender Elternteil den Kindesunterhalt allein aus dem Grund nicht ein, weil Sie nicht über genügend Geld verfügen, um sich anwaltlich beraten zu lassen und den Kindesunterhalt gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen, sollten Sie sich über die Möglichkeiten der Beratungshilfe oder Verfahrenskostenhilfe informieren.

Beantragen Sie Beratungshilfe

Haben Sie nur wenig Geld, können Sie sich bei dem für Ihren Wohnort zuständigen Amtsgericht unter Vorlage eventueller Einkommensnachweise einen Beratungshilfeschein beschaffen. Dieser Schein berechtigt Sie, sich bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin Ihrer Wahl in einem ersten Beratungsgespräch über Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu informieren und beraten zu lassen. Auf diesem Weg können Sie die Sach- und Rechtslage besser beurteilen und entscheiden, wie Sie weiter vorgehen möchten.

Beantragen Sie Verfahrenskostenhilfe

Sollte es notwendig werden, den unterhaltspflichtigen Elternteil schriftlich zur Zahlung des Kindesunterhalts aufzufordern und insoweit in Verzug zu setzen sowie den Unterhalt gerichtlich einzufordern, gibt es die Möglichkeit der staatlichen Verfahrenskostenhilfe. Dann übernimmt die Staatskasse die Gerichts- und Anwaltsgebühren für eine unterhaltsrechtliche gerichtliche Auseinandersetzung. Dazu kommt es allein auf Ihre Einkommensverhältnisse an.

Alles in allem

Die Zahlung von Kindesunterhalt durch den unterhaltspflichtigen Elternteil ist nicht nur eine finanzielle Angelegenheit. Vielmehr ist es Ausdruck der Wertschätzung gegenüber dem Kind, dem mit der Zahlung von Kindesunterhalt vermittelt wird, dass sich der unterhaltspflichtige Elternteil zu seiner Verantwortung für das Kind bekennt. Als betreuender Elternteil sollten Sie diesen Aspekt nicht unterschätzen und das Kind darin unterstützen, dass es genau diese Wertschätzung erhält.

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