Nach der Scheidung kann einer der früheren Ehegatten vom anderen unter bestimmten Voraussetzungen Geschiedenenunterhalt (nachehelichen Unterhalt, Scheidungsunterhalt) verlangen. Dieser Anspruch ist rechtlich eigenständig und muss daher gesondert geltend gemacht werden, auch wenn zuvor ein Anspruch auf Trennungsunterhalt bestanden hat. Eine der Voraussetzungen für den Geschiedenenunterhalt ist, dass einer der gesetzlichen Unterhaltstatbestände vorliegt oder es sich um eine Ehe von langer Dauer handelt. Wie diese und die anderen Erfordernisse für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aussehen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Als zum 01.01.2008 das Unterhaltsrecht reformiert wurde, war eine der wesentlichsten Absichten des Gesetzgebers, den bis zu diesem Zeitpunkt zumeist lebenslang bestehenden Anspruch auf nachehelichen Unterhalt an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Durch den mit der Reform eingeführten und in § 1569 BGB niedergelegten Grundsatz der Eigenverantwortung obliegt es jedem Ehegatten nach einer Scheidung, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Lediglich dann, wenn ein Ehegatte dazu außerstande ist, sollte er nach den gesetzlich festgelegten Unterhaltstatbeständen zum Ausgleich der ehebedingten Nachteile nachehelichen Unterhalt verlangen können. Aber auch dieser nacheheliche Unterhalt wurde dadurch beschränkt, dass er durch den damals neu eingeführten § 1578b BGB herabgesetzt und / oder zeitlich begrenzt werden kann.
Damit setzt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt voraus, dass
Der bei den Unterhaltstatbeständen geforderte Ausgleich der ehebedingten Nachteile beinhaltet, dass diese zumindest teilweise ihre Ursache in der Eheschließung und der Rollenverteilung in der Ehe haben. Hat also etwa die Ehefrau wegen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung ihre Ausbildung abgebrochen, ist dies ein ehebedingter Nachteil. Wurde aber die Ausbildung bereits einige Jahre vor der Ehe abgebrochen und hatte die spätere Ehefrau auch nach längerer Arbeitslosigkeit keine Lust, sich eine andere berufliche Qualifikation anzueignen, stellen sowohl der Abbruch der Ausbildung als auch eine Arbeitslosigkeit nach der Ehe regelmäßig keine ehebedingten Nachteile dar. Geschiedenenunterhalt kann daher – aus dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität – grundsätzlich nur als Überbrückung für einen kurzen Zeitraum gefordert werden.
Im Einzelnen bestehen folgende Unterhaltstatbestände:
Übernimmt der geschiedene Ehegatte die Betreuung des gemeinsamen Kindes, hat er gegen den anderen Geschiedenen einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dieser besteht für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes. Bei der Betreuung von mehreren Kindern ist das Alter des jüngsten Kindes maßgeblich. Eine Erwerbstätigkeit muss der Unterhaltsberechtigte also erst wieder aufnehmen, wenn das Kind bzw. das jüngste Kind drei Jahre alt ist.
Die Dauer des Unterhaltsanspruchs kann jedoch vom Familiengericht auf Antrag aus Billigkeitsgründen verlängert werden. Diese Gründe sind vom antragstellenden betreuenden Elternteil darzulegen und unter Beweis zu stellen. Dazu gehören einerseits kindesbezogene Gründe wie etwa fehlende anderweitige und zumutbare Betreuungsmöglichkeiten oder ein erhöhter Betreuungsbedarf. Zum anderen sind elternbezogene Gründe denkbar wie etwa die Betreuung von mehreren Kindern. Diese Erwägungen spielen ebenfalls für die Frage eine Rolle, ob dem betreuenden Elternteil statt einer Vollzeitbeschäftigung nur eine Teilzeitbeschäftigung oder ein Mini-Job zugemutet werden kann.
Kann von einem geschiedenen Ehegatten keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden, hat er Anspruch auf Altersunterhalt. Mangels fester Altersgrenzen ist für die Erwartung einer Erwerbstätigkeit darauf abzustellen, welche Ausbildung der Ehegatte hat, welche früheren Erwerbstätigkeiten ausgeübt und wie lange diese unterbrochen wurden, wie die Aussichten für eine Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt sind sowie wie sich die persönlichen Verhältnisse wie Gesundheitszustand und Ehedauer verhalten.
Zwar ist der geschiedene Ehegatte zu Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung verpflichtet, wenn er in seinem erlernten Beruf keine Arbeit mehr erhält. Ob sich allerdings ab vielleicht 55 Jahren noch eine Arbeitsstelle finden lässt, ist schwierig zu beurteilen. Ab Beginn des Rentenalters ist jedenfalls keine Erwerbstätigkeit mehr zu erwarten.
Auch für den Anspruch auf Krankheitsunterhalt wird vorausgesetzt, dass vom geschiedenen Ehegatten keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden kann. Die Krankheit, das Gebrechen oder die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten müssen aber bereits im Zeitpunkt der Scheidung vorhanden gewesen sein.
Der Anspruch auf Arbeitslosenunterhalt besteht, bis der geschiedene Ehegatte eine eigene angemessene Erwerbstätigkeit gefunden hat. Die Angemessenheit richtet sich nach Alter, Ausbildung, einer etwaigen früheren Tätigkeit sowie Gesundheitszustand und persönlichen Fähigkeiten des Berechtigten.
Um den Unterhaltsanspruch aufrecht zu erhalten, muss sich der geschiedene Ehegatte aber intensiv um eine Arbeitsstelle bemühen, was ca. 20 bis 30 monatliche Bewerbungen beinhaltet. Dazu gehört auch die Verpflichtung, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, § 1574 Abs. 3 BGB.
Übt der geschiedene Ehegatte zwar eine angemessene Erwerbstätigkeit aus, reichen aber die daraus erzielten Einkünfte nicht für seinen vollen Unterhalt aus, kommt ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht. Der Aufstockungsunterhalt besteht aus der Differenz des selber erzielten Einkommens und dem vollen Unterhalt, also dem während der Ehe vorhandenen Einkommen, § 1578 BGB. Dadurch soll der gewohnte eheliche Lebensstandard gesichert werden.
Erforderlich für den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist, dass dieser mehr als 10% des bereinigten Nettoeinkommens des bedürftigen Ehegatten ausmacht. Bereinigtes Nettoeinkommen bedeutet, dass das Nettoeinkommen um die berufsbedingten Aufwendungen, ehebedingten Schulden und sonstigen abzugsfähigen Positionen zu kürzen (zu „bereinigen“) ist.
An Ausbildungsunterhalt ist zu denken, wenn der geschiedene Ehegatte seine Berufsausbildung vor oder während der Ehe abgebrochen oder wegen der Ehe nicht aufgenommen hat. Ausbildungsunterhalt kommt ebenfalls in Betracht, wenn eine Fortbildung oder Umschulung die ehebedingten Nachteile ausgleichen soll.
Um Ausbildungsunterhalt beanspruchen zu können, muss der geschiedene Ehegatte die Bildungsmaßnahme möglichst zügig nach der Scheidung beginnen.
Ist keiner der sonstigen Tatbestände für einen Anspruch auf Geschiedenenunterhalt gegeben und wäre die Versagung eines Unterhaltsanspruchs grob unbillig, kommt Billigkeitsunterhalt in Betracht. Das ist etwa der Fall, wenn der bedürftige Ehegatte besondere Leistungen oder finanzielle Opfer zugunsten des Ehepartners erbracht hat, also etwa die mehrjährige unentgeltliche Tätigkeit in dessen Unternehmen oder die erhebliche finanzielle Unterstützung bei dessen Unternehmensgründung.
Ehen von langer Dauer, die auch ohne einen Unterhaltstatbestand zu einem Anspruch auf Geschiedenenunterhalt führen können, liegen ab einer Dauer von 15 – 20 Jahren vor.
Expertentipp: Die Unterhaltstatbestände können sich auch aneinanderreihen, etwa Arbeitslosenunterhalt und nachfolgend Altersunterhalt. In solchen Fällen ist aber jeder einzelne Unterhaltstatbestand genau zu prüfen.
Es gibt im Unterhaltsrecht keinen Stichtag und keinen exakten Termin für das Ende des Anspruchs auf Geschiedenenunterhalt. Daher lässt sich lediglich allgemein sagen, dass der Anspruch dann endet, wenn die nacheheliche Solidarität wegfällt. Dazu existieren aber zahlreiche Sachverhalte, bei deren Eintritt das Ende des nachehelichen Unterhaltsanspruchs absehbar ist oder dieser endet. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Konstellationen:
Ist der Unterhaltsverpflichtete ausreichend leistungsfähig, kommen folgende Ansprüche in Betracht, die gesondert geltend zu machen sind:
Schließlich sind folgende Punkte für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt noch wichtig:
Der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt sollte im sogenannten Scheidungsverbund (also zusammen mit der Scheidung) geltend gemacht werden, da hierdurch Anwalts- und Gerichtskosten gespart werden. Besteht ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe, muss dieser Anspruch in den Scheidungsverbund eingestellt werden, weil sonst keine Hilfe bewilligt wird.
Der Unterhaltsverpflichtete hat auf Verlangen des Berechtigten für den Unterhalt Sicherheit zu leisten, sofern der Unterhaltsanspruch gefährdet ist und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt einen Jahresbetrag des Geschiedenenunterhalts, im Einzelfall auch mehr, § 1585a BGB. Sein Verlangen muss der Berechtigte darlegen und beweisen können.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion