Sind Sie unterhaltspflichtig, ist der Selbstbehalt der Betrag, den Sie behalten dürfen, um Ihren eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Der Selbstbehalt ist auch Ihr Eigenbedarf, den Sie für Ihr eigenes Leben benötigen. Der Selbstbehalt und damit Ihr Eigenbedarf begrenzen Ihre Unterhaltspflicht. Wir erklären, was Sie dazu wissen sollten.
Tipp 1: Beachten Sie die Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind Sie gegenüber mehreren Personen unterhaltspflichtig, brauchen Sie bei einem zu geringen Einkommen nur diejenige Person voll zu bedienen, die im Rang vorrangig zu bedienen ist.
Tipp 2: Beanspruchen Sie eine Erhöhung Ihres Selbstbehalts
In begründeten Fällen, in denen Ihre Wohnkosten die im Selbstbehalt enthaltene Pauschale übersteigen oder der andere Elternteil erheblich mehr verdient als Sie selbst, können Sie Ihren Selbstbehalt erhöhen und dadurch die Unterhaltspflicht reduzieren.
Tipp 3: Lassen Sie Ihre Unterhaltspflicht individuell berechnen
Möchten Sie Ihre Unterhaltspflicht zuverlässig kalkulieren, sollten Sie Ihre Unterhaltspflicht anhand Ihrer Einkommensverhältnisse und sonstigen Gegebenheiten individuell berechnen lassen.
Trennen Sie sich vom Ehepartner und lassen Sie sich scheiden, sind Sie dem wirtschaftlich bedürftigen Partner sowie Ihrem gemeinsamen Kind unterhaltspflichtig. Sie müssen sich mit Ihrer vollen Arbeitskraft dafür einsetzen, dass Sie Ihre Unterhaltspflichten erfüllen können.
Damit Sie aber in der Lage bleiben, Ihr eigenes Leben zu gestalten, brauchen Sie Ihr Einkommen nur insoweit für die Unterhaltszahlungen zu verwenden, sofern Ihnen ein Betrag übrigbleibt, der Ihren Eigenbedarf gewährleistet. Dieser Betrag ist der Selbstbehalt. Der Selbstbehalt hängt in der Höhe davon ab, wem gegenüber Sie unterhaltspflichtig sind.
Zweck des Selbstbehalts ist es mithin, dass Sie aufgrund Ihrer Unterhaltszahlungen nicht selbst sozialhilfebedürftig werden und zumindest so viel Geld behalten dürfen, dass Sie Ihren eigenen Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen sicherstellen können.
Die Höhe der Selbstbehalte hängt davon ab, wem gegenüber Sie unterhaltspflichtig sind. Gegenüber Ihren Kindern ist Ihr Selbstbehalt geringer als gegenüber Ihrem Ehepartner oder gegenüber Ihren eigenen Eltern. Die Selbstbehalte wurden zum letzten Mal zum 1.1.2020 angehoben. Sie betragen im Hinblick auf (Stand 1.1.2020):
Gut zu wissen: Ein volljähriges Kind gilt als ein privilegiertes Kind, wenn es bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebt und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befindet. Das privilegierte volljährige Kind ist unterhaltsrechtlich dem minderjährigen Kind gleichgestellt.
Wie wird der Kindesunterhalt berechnet? Erfahren Sie, was Sie beim Kindesunterhalt beachten müssen.
Gut zu wissen: Ist Ihr eigener Elternteil bedürftig, muss er zunächst vorrangig Grundsicherung im Alter oder Erwerbsminderung beantragen. Außerdem übernimmt der Sozialhilfeträger den Kostenaufwand für die Unterbringung in einem einfachen und kostengünstigen Pflegeheim. Gegenüber dem Sozialleistungsträger sind Sie erst dann in der Verantwortung, wenn Sie mehr als 100.000 EUR brutto im Jahr verdienen. Auch dann haben Sie noch immer Anspruch auf 2.000 EUR Selbstbehalt bzw. 3.600 EUR, wenn Sie verheiratet sind. Von dem über Ihrem Selbstbehalt liegenden Einkommen ist die Hälfte für den Unterhalt Ihres pflegebedürftigen Elternteils zu verwenden und dem Sozialleistungsträger insoweit als Kostenaufwand zu erstatten.
Der notwendige Selbstbehalt ist der Selbstbehalt, der Ihnen als Unterhaltsschuldner im Hinblick auf Ihre minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern verbleibt. Sind Sie erwerbstätig, beträgt der Selbstbehalt 1.370 EUR, sind Sie nicht erwerbstätig 1.120 EUR. Darin sind Wohnkosten in Höhe von 520 EUR enthalten (Warmmiete einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung).
Der angemessene Selbstbehalt ist der Selbstbehalt, der Ihnen als Unterhaltsschuldner im Hinblick auf andere unterhaltsberechtigte Personen verbleibt. Dies sind Personen, die in der Rangfolge hinter minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern rangieren (Beispiel: Ihr getrennt lebender oder geschiedener Ehegatte). Dieser Selbstbehalt beträgt 1.510 EUR, wenn Sie erwerbstätig sind und 1.385 EUR, wenn Sie nicht erwerbstätig sind. Der Betrag enthält 580 EUR Wohnkosten. Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern beträgt der angemessene Selbstbehalt 1.650 EUR einschließlich 580 EUR Wohnkosten.
Gewissheit ist die Grundlage, nach der die menschlichen Gefühle verlangen.
Der Selbstbehalt deckt Ihren Lebensbedarf ab. Zumindest theoretisch. Ihr Selbstbehalt kann ausnahmsweise erhöht werden, wenn Sie erhöhte Wohnkosten nachweisen. In den Selbstbehaltsätzen sind normalerweise Wohnkosten als Pauschale enthalten. Sind Ihre Wohnkosten (Miete) im konkreten Fall höher als die Pauschale und ist es Ihnen auch nicht möglich und auch nicht zuzumuten, Ihre Wohnkosten durch einen Umzug in eine kleinere oder in eine kostengünstigere Wohnung zu reduzieren, kann sich Ihr Selbstbehalt um die Mehrkosten erhöhen.
Praxisbeispiel: Ihr Selbstbehalt beträgt gegenüber Ihrem minderjährigen Kind 1.385 EUR. Der Betrag enthält pauschal 520 EUR Wohnkosten. Beträgt Ihre Warmmiete tatsächlich aber 480 EUR, erhöht sich der Selbstbehalt um 50 EUR auf 1.230 EUR. Voraussetzung ist aber, dass es Ihnen nachweislich nicht möglich und nicht zuzumuten ist, Ihren Kostenaufwand zu verringern. Da Sie für Ihre Wohnkosten 50 EUR mehr benötigen, reduziert sich der Kindesunterhalt um diesen Betrag.
Aber: Da es um den Unterhalt für Ihr minderjähriges Kind geht, stehen Sie in der Verantwortung, den vollen Kindesunterhalt zu erwirtschaften. Dazu gehört, dass Sie sich um eine besser bezahlte Arbeit bemühen oder eine Nebentätigkeit übernehmen. Es wird aber auch erwartet, dass Sie Ihre Wohnbedürfnisse einschränken. Sie müssen sich um eine preisgünstigere Wohnung bemühen oder Wohngeld beantragen. Notfalls müssen Sie auch in eine andere Gemeinde umziehen.
Verfügt Ihr getrenntlebender oder geschiedener Ehegatte über mindestens 50 % mehr Einkünfte als Sie selbst, ist auch dieser Elternteil verpflichtet, sich am Kindesunterhalt zu beteiligen, wenn Sie nur über relativ geringe Einkünfte verfügen (BGH FamRZ 2011, 205).
Verdienen Sie so wenig, dass Sie den rechnerisch geschuldeten Unterhalt nicht zahlen können und ansonsten Ihren Selbstbehalt unterschreiten, liegt ein sogenannter Mangelfall vor. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob und wie Sie den Kindesunterhalt kürzen dürfen.
Praxisbeispiel: Sie verdienen 1.800 EUR netto. Ihrem 6-jährigen Sohn schulden Sie laut Düsseldorfer Tabelle 502 EUR und Ihrer 13-jährigen Tochter 588 EUR Kindesunterhalt, insgesamt also 979 EUR. (Das Kindergeld lassen wir hier außer Betracht). Würden Sie den vollen Kindesunterhalt zahlen müssen, verblieben Ihnen nur noch 821 EUR für den eigenen Lebensunterhalt. Es liegt also ein Mangelfall vor. Es muss also eine Mangelfall Berechnung des Unterhalts erfolgen.
Im Hinblick auf Ihren Selbstbehalt von 1.370 EUR, stehen von Ihrem Nettoeinkommen in Höhe von 1.800 EUR nur 640 EUR für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Sie rechnen: 640 EUR : 979 EUR = 65 %. Also werden die Unterhaltsansprüche beider Kinder auf 65 % gekürzt. Sie zahlen Ihrem 6-jährigen Sohn 502 EUR x 65 % = 295 EUR Kindesunterhalt und Ihrer 13-jährigen Tochter 588 EUR x 65 % = 343 EUR Kindesunterhalt. Insgesamt zahlen Sie 638 EUR Kindesunterhalt. Ihnen verbleiben rund 1.160 EUR.
Ist aufgrund Ihres geringen Verdienstes ein Mangelfall begründet, ist zu prüfen, ob Ihr Selbstbehalt ausnahmsweise auch erniedrigt werden kann. Die Konsequenz wäre, dass Ihnen ein höheres Einkommen unterstellt wird und Sie auch dann Unterhalt zahlen müssen, wenn Sie Ihren Selbstbehalt im Einzelfall unterschreiten.
Ansatzpunkt dafür ist, dass Sie insbesondere gegenüber einem minderjährigen Kind eine erhöhte Pflicht haben, den Mindestunterhalt zu erwirtschaften. Sie müssen alles tun, was Ihnen möglich ist, um wenigstens den untersten Satz der Düsseldorfer Tabelle zahlen zu können. An Ihre eigene Lebensplanung dürfen Sie erst denken, wenn der Mindestunterhalt für Ihr minderjähriges Kind gesichert ist. Sie müssen notfalls Ihr Leben so umgestalten, dass Veränderungen möglich sind.
Gut zu wissen: Dazu gehört, dass Sie notfalls Ihren Arbeitsplatz wechseln, eine besser bezahlte Tätigkeit annehmen, bereit sind, auch in einem anderen Beruf mehr Geld zu verdienen, einen Nebenjob ausüben und insgesamt auch längere Fahrzeiten zur Arbeitsstelle in Kauf nehmen. Die Rechtsprechung erwartet eine Wochenarbeitszeit von bis zu 48 Stunden. Vor allem dürfen Sie nichts tun, was Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtert oder gefährdet. Sie dürfen sich nicht selbstständig machen, wenn Sie dann zu wenig verdienen. Sie dürfen in einer neuen Beziehung auch nicht die Rolle des Hausmanns übernehmen und dadurch Ihre Einkommensverhältnisse reduzieren. Im Streitfall sind Sie verpflichtet, nachzuweisen, dass Sie alles Zumutbare versucht haben, um so viel Geld zu verdienen, dass Sie den Mindestunterhalt zahlen können.
Ist Ihnen nachzuweisen, dass Sie diese Anforderungen schuldhaft nicht erfüllt haben, werden Sie so behandelt, als hätten Sie ein entsprechendes Einkommen. Ihnen wird ein theoretisch erzielbares, fiktives Einkommen auf der Grundlage des Mindestlohns und einer 40-Stundenwoche unterstellt. Aufgrund des so unterstellten Einkommens wären Sie in der Lage, den Mindestunterhalt zu zahlen, mit der Konsequenz, dass Sie mit Ihren Zahlungen den Selbstbehalt unterschreiten.
Gut zu wissen: Liegt ein Mangelfall vor, ist auch zu prüfen, ob und in welcher Höhe Schulden, Verbindlichkeiten und sonstige Zahlungsverpflichtungen zu berücksichtigen sind. So wären beispielsweise Ausgaben für eine zusätzliche Altersversorgung oder eine Zusatzkrankenversicherung nicht berücksichtigungsfähig (BGH FamRZ 2013, 616). Auch ist zu prüfen, ob Sie die Raten für einen Kredit herabsetzen oder einen finanzierten Gegenstand (z.B. Pkw) verkaufen können.
Sind Sie gegenüber mehreren Personen unterhaltspflichtig, kann es sein, dass Ihr Einkommen nicht ausreicht, um alle Unterhaltspflichten zu bedienen. Jetzt kommt es auf die im Gesetz geregelte Rangfolge der unterhaltsberechtigten Personen an. § 1609 BGB bestimmt folgende Rangfolge:
Reicht also Ihr Einkommen nicht aus, mehrere Unterhaltspflichten zu bedienen, zahlen Sie den Unterhalt vorrangig für diejenige Person, die im Rang jeweils vorgeht. Der nachfolgende Rang geht dann unter Umständen leer aus.
Verwechseln Sie den Bedarfskontrollbetrag in der Düsseldorfer Tabelle (Spalte ganz rechts) nicht mit dem Selbstbehalt oder dem Eigenbedarf. Der Bedarfskontrollbetrag soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltsschuldner und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird der jeweils für eine Einkommensgruppe ausgewiesene Bedarfskontrollbetrag unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen. Der Bedarfskontrollbetrag ist nur in der Einkommensgruppe 1 mit dem Selbstbehalt identisch (1.160 EUR / 960 EUR).
Das Unterhaltsrecht und insbesondere die Berechnung des maßgeblichen Unterhalts hängen von einer Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab. Sie sollten also keinesfalls auf einen einfachen Unterhaltsrechner im Internet vertrauen. Diesen können Sie höchstens als erste Orientierung nutzen. Besser ist es jedoch stets, wenn Sie sich Ihre Unterhaltspflicht nach Maßgabe Ihrer Einkommensverhältnisse und sonstigen Gegebenheiten individuell berechnen lassen.
Geschrieben von: Volker Beeden