Wer Kindesunterhalt nachfordern möchte, hat eher selten Erfolg. Denn Unterhalt für die Vergangenheit gibt es nur in Ausnahmefällen. Und selbst wenn einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, droht bereits nach einem Jahr die Verwirkung. Daher sollte der Anspruch auf Kindesunterhalt generell zeitnah geltend gemacht und weiterhin konsequent verfolgt werden, damit erst gar nicht das Problem entsteht, den Kindesunterhalt nachfordern zu müssen. Welche Möglichkeiten Sie haben und was für Ausnahmen es gibt, wenn Sie trotzdem rückwirkend Kindesunterhalt fordern möchten, erfahren Sie in diesem Artikel.
Unterhalt für die Vergangenheit wird im Familienrecht sehr zurückhaltend betrachtet. Es gilt der Grundsatz, dass kein rückwirkender Unterhalt verlangt werden kann. Dies beruht zum einen auf dem Gedanken, dass Nachforderungen regelmäßig nicht zur Deckung des aktuellen Lebensbedarfs benötigt werden. Oder ganz einfach anders ausgedrückt: Wer Unterhalt benötigt, kümmert sich darum. Kümmert er sich nicht, braucht er offensichtlich nichts.
Zum anderen ist auch dem Unterhaltspflichtigen zugute zu halten, dass er nicht plötzlich für hohe unterhaltsrechtliche Nachforderungen einstehen muss, wenn ihm solche nicht bekannt waren. Hinzu kommt, dass sich die in der Vergangenheit vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Pflichtigen meistens nur schwierig feststellen lassen.
Daher kann Unterhalt grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt verlangt werden, ab dem er gefordert wird. Für den Kindesunterhalt gilt das genauso. Wer also Kindesunterhalt nachfordern möchte, hat daher erst einmal schlechte Karten.
Trotzdem gibt es Ausnahmefälle, in denen Unterhalt auch für die Vergangenheit verlangt werden kann. Möchten Sie Kindesunterhalt nachfordern, ist dabei zu unterscheiden zwischen:
Zentrale Vorschrift ist hierbei § 1613 BGB „Unterhalt für die Vergangenheit“, der für Verwandte in gerader Linie und damit auch dann gilt, wenn ein Elternteil oder das volljährige Kind den Kindesunterhalt nachfordern möchten.
Die Möglichkeit, den Kindesunterhalt nachzufordern, besteht in folgenden Ausnahmefällen, die Sicherungsmaßnahmen nach § 1613 Abs. 1 BGB erfordern. Sicherungsmaßnahmen bedeutet vereinfacht gesagt, dass Sie den Anspruch auf Kindesunterhalt geltend machen müssen, weil er sonst nicht rückwirkend gefordert werden kann.
Zunächst können Sie den Kindesunterhalt rückwirkend nachfordern, wenn Sie den Barunterhaltspflichtigen zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse auffordern. Hier kann rückwirkend Unterhalt ab dem Monat des Auskunftsverlangens verlangt werden. Erfolgt also das Auskunftsverlangen etwa im April und gehen Ihnen die Auskünfte erst im Oktober zu, können Sie Kindesunterhalt trotzdem rückwirkend ab April fordern.
Expertentipp: Wird das Auskunftsverlangen nicht über einen Rechtsanwalt gestellt, sollten Sie unbedingt dafür Sorge tragen, dass Sie den Zugang des schriftlichen Verlangens beim Barunterhaltspflichtigen nachweisen können. Das kann beispielsweise durch schriftliche Bestätigung des Unterhaltspflichtigen auf einer Kopie des Auskunftsverlangens oder ein Einwurfeinschreiben geschehen. Beim Übergabeeinschreiben kann dagegen das Problem bestehen, dass der Pflichtige nicht angetroffen wird und sich das bei der Post hinterlegte Einschreiben nicht abholt, womit es nicht als zugegangen gilt.
Um den Barunterhaltspflichtigen in Verzug setzen, haben Sie mehrere Möglichkeiten, um Kindesunterhalt nachfordern zu können:
Eine Mahnung beinhaltet, dass Sie vom Barunterhaltspflichtigen ab einem bestimmten Zeitpunkt bzw. einer gesetzten Frist die Zahlung eines konkret benannten Geldbetrags fordern. Dabei spielt es keine Rolle, wenn Sie einen zu hohen Betrag verlangen. Machen Sie also etwa ab dem 01.05. monatlich 400 EUR an Kindesunterhalt geltend und sind es später tatsächlich nur monatlich 250 EUR, besteht der Anspruch über 250 EUR trotzdem ab dem 01.05.
Expertentipp: Auch hier sollten Sie die Mahnung aus Beweisgründen immer schriftlich gestalten und den Zugang des Mahnschreibens beim Barunterhaltspflichtigen nachweisen können.
Wurde zugunsten des Kindes eine feste Zahlungsvereinbarung getroffen, wonach der Barunterhaltspflichtige etwa „ab dem 01.06. monatlich einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 300 EUR an Kindesunterhalt“ zu zahlen hat, können Sie ab dem 01.06. Kindesunterhalt nachfordern.
Tritt die Unterhaltsvorschusskasse für den Kindesunterhalt ein, weil der Barunterhaltspflichtige nicht zahlt, erhält er eine sogenannte Überleitungsanzeige (Rechtswahrungsanzeige). Damit wird die Sozialbehörde nun Inhaber der Unterhaltsforderung und kann ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige Kindesunterhalt nachfordern. Die Überleitungsanzeige hat dieselbe Wirkung wie eine Mahnung, wobei nun allerdings der Unterhaltsanspruch auf die Sozialbehörde übergegangen ist.
Schließlich können Sie den Barunterhaltspflichtigen auf Zahlung verklagen, um Kindesunterhalt nachfordern zu können. Hier steht Ihnen der Kindesunterhalt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Klagezustellung zu, und zwar ab dem 01. des Monats der Zustellung.
In bestimmten Fällen sind – zumindest für einen gewissen Zeitraum – keine Sicherungsmaßnahmen notwendig, damit Sie für die Vergangenheit Kindesunterhalt nachfordern können.
Dazu gehört zum einen der Fall, dass für das Kind Sonderbedarf entsteht, also ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf. Beispiele dazu sind etwa die dringend benötigte Nachhilfe über einen kürzeren Zeitraum zum Erreichen der Versetzung oder von der Krankenkassen nicht finanzierte Kosten einer Heilbehandlung, § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Expertentipp: Diesen Kindesunterhalt nachfordern können Sie aber nur, wenn Sie den Anspruch innerhalb eines Jahres nach der Entstehung geltend machen. Zahlt der Barunterhaltspflichtige nicht, müssen Sie ihn - wie ansonsten auch – entweder mittels Mahnung in Verzug setzen oder den Anspruch einklagen.
Zum anderen kann der Fall eintreten, dass Sie den Kindesunterhalt nicht fordern konnten, weil Sie aus
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert waren, § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die typischen Beispiele hierzu sind etwa die fehlende rechtliche Möglichkeit zur Geltendmachung, weil die Vaterschaft des nichtehelichen Kindesvaters noch nicht anerkannt oder festgestellt wurde. Dagegen kann der Unterhaltsanspruch aus tatsächlichen, in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallenden Gründen nicht eingefordert werden, wenn sich der Kindesvater mit unbekanntem Aufenthaltsort im Ausland befindet.
Expertentipp: Auch hier besteht eine Einschränkung: Kindesunterhalt nachfordern können Sie nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die volle oder sofortige Zahlung für den Barunterhaltspflichtigen eine unbillige Härte bedeuten würde, § 1613 Abs. 3 BGB. Ist also der Barunterhaltspflichtige etwa nicht zur Unterhaltszahlung imstande, weil er schwer erkrankt ist, liegt eine unbillige Härte vor.
Wie die Ausnahmefälle zeigen, kann es problematisch sein, wenn Sie Kindesunterhalt nachfordern. Etwaige Ansprüche sollten daher stets zeitnah und zügig verfolgt werden. Ein besonderer Fall besteht dabei durch die sogenannte Verwirkung.
Wollen Sie Kindesunterhalt nachfordern, sollten Sie sich durch die Verjährungsvorschrift nach § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht täuschen lassen. Danach wird die Verjährung für den Anspruch auf Kindesunterhalt bis zum 21. Lebensjahr des Kindes gehemmt, so dass die Verjährung erst ab dem 24. Lebensjahr des Kindes eintritt.
Allerdings kann der Anspruch durch Zeitablauf verwirken, so dass er zu einem weitaus früheren Zeitpunkt nicht mehr geltend gemacht werden kann. Verwirkung bedeutet vereinfacht formuliert, dass der Barunterhaltspflichtige darauf vertrauen darf, dass der Berechtigte keinen Unterhaltsanspruch mehr geltend macht.
Praxisbeispiel: Das volljährige Kind K hat dem Vater V zugesagt, es wolle keinen Kindesunterhalt nachfordern. Begründet hat K dies mit seiner guten wirtschaftlichen Situation nach der Lehre im Gegensatz zum teilerwerbsunfähigen V. Trotzdem klagt K zwei Jahre später den Kindesunterhalt rückwirkend für mehrere Jahre ein, womit V aufgrund auch des guten Verhältnisses zu K nicht mehr gerechnet hat.
Folge: K hätte die Möglichkeit gehabt, den Unterhalt weitaus eher einzuklagen. Durch diese Möglichkeit ist das Umstandsmoment verwirklicht. Da K aber auch noch zwei Jahre bis zur Klage gewartet hat, ist auch das Zeitmoment verwirklicht. K kann daher keinen Kindesunterhalt nachfordern.
Für die Verwirkung infolge Zeitablaufs spielt es unter anderem keine Rolle, wenn
Expertentipp: Damit kann eine Verwirkung auch bei titulierten Ansprüchen auf Kindesunterhalt eintreten, also solchen die etwa aus einer Jugendamtsurkunde oder einem gerichtlichen Beschluss bzw. gerichtlich protokollierten Vergleich vollstreckbar sein. Es kann Ihnen daher passieren, dass Sie bereits nach einem Jahr keinen Kindesunterhalt nachfordern können und diesen für Zukunft neu geltend machen müssen.
Darüber hinaus kann bei volljährigen Kindern der Unterhaltsanspruch aufgrund eines Fehlverhaltes verwirken, so etwa bei Straftaten gegen den Barunterhaltspflichtigen, § 1611 BGB.
Das Nachfordern des Kindesunterhalts ist nur in Ausnahmefällen möglich. Hier ist noch einmal zwischen solchen mit Sicherungsmaßnahmen und solchen ohne zu unterscheiden. Zu den Ausnahmefällen mit Sicherungsmaßnahmen gehören die Aufforderung zur Auskunftserteilung, die Inverzugsetzung und die Unterhaltsklage gegen den Barunterhaltspflichtigen. Die Ausnahmefälle ohne Sicherungsmaßnahmen erfordern die Geltendmachung von Sonderbedarf für das Kind oder die Unmöglichkeit der Geltendmachung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Wer Kindesunterhalt nachfordern möchte, sollte in jedem Fall schnell handeln, denn es droht Verjährung.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion