Am häufigsten geht es bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen um den Unterhalt. Sie werden erfahrungsgemäß am bittersten geführt, auch wenn Streitigkeiten beim Kindesunterhalt an sich überflüssig erscheinen und das Gesetz klare Verhältnisse ermöglicht. Beim Kindesunterhalt ändern sich die Verhältnisse fortlaufend. Das Kind wird älter und die Unterhaltszahlbeträge der Düsseldorfer Tabelle erhöhen sich im Jahresrhythmus. Insoweit besteht ein Interesse des Kindes daran, dass es von der Entwicklung profitiert und die Unterhaltshöhe angepasst wird. Wenn Sie Unterhalt einklagen müssen oder bereits über einen Unterhaltstitel verfügen, sollten Sie wissen, ob der Unterhaltstitel dynamischer oder statischer Natur ist.
Düsseldorfer Tabelle
Kindesunterhalt gibt es in der Form des Betreuungsunterhalts und des Barunterhalts. Betreuungsunterhalt leistet derjenige Elternteil, der das Kind betreut und aufzieht und bei dem das Kind wohnt. Er gewährt ihm also Kost und Logis. Derjenige Elternteil, der das Kind nicht betreut, leistet Barunterhalt. Die Düsseldorfer Tabelle enthält Richtsätze für den Kindesunterhalt, in dem sie den Lebensbedarf des Kindes anhand der Einkommensverhältnisse der Eltern und des Kindesalters auf Grundlage von Erfahrungswerten typisiert.
Im Idealfall leistet der nicht betreuende Elternteil freiwillig und im Bewusstsein seiner Verantwortung für das Kind den Kindesunterhalt. Dafür brauchen Sie keinen förmlichen Unterhaltstitel. Verweigert er hingegen den Barunterhalt oder zahlt er nur zögerlich, sind Sie als betreuender Elternteil und gesetzlicher Vertreter des Kindes daran interessiert, den nicht betreuenden Elternteil notfalls mit gerichtlicher Hilfe zur Zahlung des Kindesunterhalts zu veranlassen. Dafür benötigen Sie einen Unterhaltstitel. Nur mit einem Unterhaltstitel können Sie zwangsweise vollstrecken und den Unterhaltsbetrag unter Beauftragung eines Gerichtsvollziehers beitreiben.
Als Unterhaltstitel kommt idealerweise die Unterhaltsurkundes des Jugendamtes in Betracht, in der der unterhaltspflichtige Elternteil gegenüber dem Jugendamt seine Zahlungspflicht freiwillig und ausdrücklich anerkennt. Diese - auch Jugendamtsurkunde - genannte Unterhaltsurkunde ist ein Unterhaltstitel, aus dem Sie den Kindesunterhalt gegen den zahlungspflichtigen Elternteil notfalls zwangsweise vollstrecken können. Unterhaltstitel ist auch das notarielle Schuldanerkenntnis bei einem Notar oder der Anwaltsvergleich. Ist der unterhaltspflichtige Elternteil außergerichtlich nicht bereit, seine Unterhaltpflicht anzuerkennen, müssen Sie ihn auf Zahlung des Kindesunterhalts verklagen. Der Gerichtsbeschluss, in dem der unterhaltspflichtige Elternteil zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet wird, ist gleichfalls ein Unterhaltstitel.
Sie können den Kindesunterhalt auf zwei Wegen in einem Unterhaltstitel festschreiben. So können Sie Unterhalt als festen Betrag (statisch) oder als Prozentsatz des Regelbetrags einer sich ohne Zutun der Beteiligten ändernden Bezugsgröße (dynamisiert) geltend machen.
Der statische Unterhalt wird anhand der Sätze der Düsseldorfer Tabelle ermittelt und sodann als konkreter Betrag festgeschrieben. Verdient der zahlungspflichtige Elternteil beispielsweise bis 2.150 EUR netto, steht dem Kind bis zum Alter von fünf Jahren 437 EUR Kindesunterhalt zu. Geht das Kindergeld an Sie, ist auf den Kindesunterhalt die Hälfte davon anzurechnen. Haben Sie diesen Betrag konkret festgeschrieben (z.B. Jugendamtsurkunde, notarielles Schuldanerkenntnis, Anwaltsvergleich, Gerichtsbeschluss nach Unterhaltsklage), haben Sie einen statischen Unterhaltstitel. Vorher war es bis 1998 so, dass nur ein bestimmter Betrag festgesetzt werden konnte. Der Unterhalt war also statisch.
Zu einer Änderung des darin festgeschriebenen statischen Unterhaltsbetrages kommt es dann nur, wenn ein Beteiligter höheren Kindesunterhalt fordert. Grund dafür kann sein, dass das Kind älter wird oder sich der Zahlbetrag der Düsseldorfer Tabelle erhöht. Soweit es sich um einen statischen Unterhaltstitel handelt und Sie sich nicht außergerichtlich über eine Abänderung einigen können, müssten Sie eine Abänderungsklage erheben und den Zahlbetrag anpassen lassen (§323 ZPO). Insoweit ist es wenig sinnvoll, statischen Unterhalt geltend zu machen oder zu vereinbaren. Besser ist, den Unterhalt dynamisch festzuschreiben.
Das Gesetz erkennt an, dass Kinder Mindestbedürfnisse haben, die das Existenzminimum sicherstellen. 1998 wurde der dynamisierte Unterhalt und 2008 ein gesetzlicher Mindestunterhalt für minderjährige Kinder eingeführt. Mit § 1612a BGB besteht seitdem die Möglichkeit, in einem vereinfachten Verfahren sämtliche Unterhaltstitel über statischen Unterhalt alten Rechts in Titel über dynamisierten Unterhalt abändern zu lassen oder im Idealfall möglichst gleich dynamisierten Unterhalt zu vereinbaren oder bei Gericht zu beantragen. Jedes minderjährige Kind kann von dem Elternteil, mit dem es nicht zusammenlebt, unabhängig von den individuellen Voraussetzungen der Unterhaltspflicht (Bedürftigkeit des Kindes und Leistungsfähigkeit des Elternteils) zumindest den zur Wahrung seines Existenzminimums erforderlichen Bedarf als Mindestunterhalt verlangen. § 1612a BGB beruht auf der Vermutung, dass das Kind zumindest in Höhe des Mindestunterhalts bedürftig und der barunterhaltspflichtige Elternteil zumindest in dieser Höhe leistungsfähig ist.
Wenn der Unterhalt in einem dynamischen Unterhaltstitel festgeschrieben wird, wird der Unterhaltsbetrag in Form eines Prozentsatzes des jeweiligen Mindestunterhalts ausgedrückt. Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem sächlichen Kinderexistenzminimum. Dessen Höhe bestimmt sich nach dem doppelten Kinderfreibetrag des Einkommensteuerrechts (§ 32 Ab. 6 Einkommenssteuergesetz, EStG). Der steuerliche Kinderfreibetrag beträgt derzeit jährlich 8.388 EUR (Stand: 2020 ). Dieser Betrag ist die Bezugsgröße beim Mindestunterhalt für die Altersstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Kinder 6 - 11 Jahre). In der Altersstufe 1 beträgt der Mindestunterhalt 87 % dieser Bezugsgröße und in der Altersstufe 3 117 %. Daraus ergeben sich die Monatsbeträge für den Mindestunterhalt. Dieser Mindestunterhalt wird um die Hälfte des Kindergeldes verringert, wenn das Kindergeld nicht an den barunterhaltspflichtigen Elternteil ausgezahlt wird.
Erreicht das Kind die nächste Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle oder verändert sich das sächliche Kindesexistenzminimum, brauchen Sie keine neue Vereinbarung über den Kindesunterhalt herbeizuführen oder den Unterhalt neu einzuklagen. Er wird automatisch (also dynamisch) nach Maßgabe des § 1612a BGB angepasst. Der dynamisierte Unterhalt stellt somit keine besondere Methode der Unterhaltsberechnung dar. Es wird lediglich der Zahlbetrag prozentual nach dem jeweiligen Mindestunterhalt für die betreffende Altersgruppe in der Düsseldorfer Tabelle festgesetzt, also ein bestimmter Prozentsatz des Mindestunterhalts, etwa 110 oder 120 %, zugrunde gelegt. Erhöht sich dann der Mindestunterhalt, erhöht sich automatisch auch der Zahlbetrag für den Kindesunterhalt.
Volljährige Kinder können keinen dynamischen Unterhaltstitel erhalten. Für sie bleibt es bei einem statischen Titel. Ändern sich die Verhältnisse, muss der Titel im Wege einer Abänderungsklage angepasst werden.
Sie können bei einem dynamisierten Unterhaltstitel beantragen, den maßgeblichen Unterhaltsbetrag herabzusetzen oder zu vergrößern, wenn sich sonstige, für die Unterhaltsermittlung maßgebliche Umstände wesentlich verändert haben. In Betracht kommt, dass Sie feststellen, dass der zahlungspflichtige Elternteil über ein höheres Einkommen verfügt, als er ursprünglich angegeben hat oder sich sein Einkommen infolge einer Beförderung erhöht hat. Umgekehrt können Sie als zahlungspflichtiger Elternteil feststellen lassen, dass Ihr Einkommen gesunken ist oder das Kind über eigenes Vermögen oder Einkommen verfügt und Sie weniger Unterhalt leisten müssen.
§ 1612a BGB ist zudem im Zusammenhang mit den Möglichkeiten des vereinfachten Verfahrens über den Unterhalt für minderjährige Kinder zu sehen (§§ 249 ff FamFG). Zweck ist, dem unterhaltsberechtigten Kind einfacher und kostengünstiger zu einem Unterhaltstitel zu verhelfen. Sie können das vereinfachte Verfahren wählen, wenn Sie für das Kind maximal 120 % des Mindestunterhalts geltend machen, den das Gesetz in § 1612a BGB vorsieht.
Auch wenn das Ergebnis der Unterhaltsberechnung einfach erscheint, ist der Weg der Unterhaltsberechnung komplex und von vielen Gegebenheiten bestimmt. Soweit Sie einen Unterhaltsrechner nutzen, erhalten Sie stets nur eine Momentaufnahme, die den Unterhaltszahlbetrag statisch erscheinen lässt. Sie können die Entwicklung des Unterhaltsbetrages ungefähr vorausbestimmen, wenn Sie das Alter des Kindes oder das Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils erhöhen oder letzten Endes die Anhebung der Mindestunterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle vorausahnen.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion