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Un­ter­halt we­gen Krank­heit

Bild: Unterhalt wegen Krankheit

Wann kann man auf Grund von Krank­heit oder Ge­bre­chen Un­ter­halt ein­for­dern?

Der Krankheitsunterhalt zählt zu den Ausnahmen, bei deren Vorliegen der geschiedene Ehegatte vom anderen früheren Ehegatten Geschiedenenunterhalt einfordern kann. Der nach der Scheidung gemäß § 1569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltende Grundsatz der Eigenverantwortung, wonach jeder Ehegatte nach der Scheidung selber für seinen Unterhalt aufkommen muss, wird also durch den Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit durchbrochen. Unter welchen Voraussetzungen der Unterhalt wegen Krankheit verlangt werden kann und was der Krankheitsunterhalt fordernde Geschiedene dafür nachweisen muss, lesen Sie in diesem Artikel.

Das Wich­tigs­te

  • Anspruchsgrundlage für den Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen ist § 1572 BGB. Danach kann der geschiedene Ehegatte Krankheitsunterhalt verlangen, wenn von ihm keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.
  • Krankheitsunterhalt kann nur im Anschluss an eine Scheidung verlangt werden, wenn der Betreuungsunterhalt, der Ausbildungsunterhalt oder der Arbeitslosenunterhalt bzw. Aufstockungsunterhalt wegfällt. Es muss also für den Krankheitsunterhalt eine lückenlose Unterhaltskette bestehen.
  • Um Krankheitsunterhalt zu erhalten, muss der geschiedene Ehegatte das Vorliegen der Erkrankung ebenso nachweisen wie deren Auswirkung auf seine Erwerbsfähigkeit. Für diesen Nachweis für den Unterhalt wegen Krankheit ist regelmäßig ein ärztliches Privatgutachten erforderlich.
  • Auch die Heilbehandlung und deren Auswirkung auf den Genesungsprozess sind für den Krankheitsunterhalt nachzuweisen.
  • Kommt der anspruchsstellende geschiedene Ehegatte seiner Verpflichtung zur Heilbehandlung nicht nach, kann er seinen Anspruch auf Krankheitsunterhalt nach § 1569 Abs. 4 BGB wegen grober Unbilligkeit verwirken.

Un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen be­steht ein An­spruch auf Un­ter­halt we­gen Krank­heit?

Der Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen ist in § 1572 BGB geregelt. Danach setzt der Krankheitsunterhalt voraus, dass vom geschiedenen Ehegatten wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.

Diese Voraussetzung für den Krankheitsunterhalt muss beim anspruchstellenden geschiedenen Ehegatten vorliegen entweder

  • zum Zeitpunkt der Scheidung oder
  • der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes (also beim Wegfall von Betreuungsunterhalt) oder
  • der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (also beim Wegfall von Ausbildungsunterhalt) oder
  • zum Zeitpunkt des Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit (also beim Wegfall von Arbeitslosenunterhalt) oder beim Wegfall der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt

Es ist daher für den Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen eine ununterbrochene Unterhaltskette erforderlich.

Ist der geschiedene Ehegatte nur zum Teil erwerbsunfähig und ist er zu einer Teilzeitbeschäftigung imstande, ist neben dem Anspruch auf Krankheitsunterhalt ein solcher auf Aufstockungsunterhalt möglich.

Wel­che Krank­hei­ten kom­men für ei­nen An­spruch auf Krank­heits­un­ter­halt in Fra­ge?

Entscheidend für den Anspruch auf Krankheitsunterhalt sind solche Krankheiten, die zur teilweisen oder vollständigen Erwerbsunfähigkeit führen oder bereits geführt haben. Dazu gehören etwa körperliche Leiden wie Krebs, Multiple Sklerose, aber auch schwere Depressionen, psychische Erkrankungen oder Suchtkrankheiten wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Auf ein Verschulden für den Krankheitsunterhalt kommt es zunächst nicht an. Vielmehr ist das eine Frage der Versagung oder Herabsetzung von Krankheitsunterhalt.

Expertentipp: Teilweise wird für den Krankheitsunterhalt vorgetragen, an bestimmten schweren Depressionen zu leiden. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass die Fähigkeit zur angepassten Teilnahme am Straßenverkehr als aufgehoben gilt. Besteht der Verdacht, dass solche Krankheiten für den Anspruch auf Krankheitsunterhalt nur vorgeschoben werden, kann der Hinweis auf einen möglichen Führerscheinentzug sehr schnell zu einer Rücknahme dieses Vortrags führen.

Wie sieht die Dar­le­gungs- und Be­weis­last beim Krank­heits­un­ter­halt aus?

Um Krankheitsunterhalt zu erhalten, muss der geschiedene Ehegatte das Vorliegen der Erkrankung konkret nachweisen. Dazu gehört auch der Nachweis, dass die Krankheit im gesetzlich geforderten Zeitpunkt bestanden hat und wie diese sich auf seine Erwerbsfähigkeit auswirkt (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 10.07.2013, Az.: XII ZB 297/12).

„Gefälligkeitsatteste“ des Hausarztes, möglicherweise mit dubiosen Angaben wie etwa „Belastungstrauma“ und ähnliches reichen allerdings nicht aus. Stattdessen ist beim Familiengericht regelmäßig ein ausführliches Privatgutachten eines Facharztes für den Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen vorzulegen. Dazu sollte der Facharzt von vorneherein gefragt werden, ob er zur Erstellung eines solchen Gutachtens bereit ist, was sicherlich auch eine Frage der Honorierung ist.

Bestreitet der andere geschiedene Ehegatte das Vorliegen der Erkrankung für den Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit und wurde ein schlüssiges ärztliches Privatgutachten vorgelegt, muss das Familiengericht ein zusätzliches Sachverständigengutachten anfordern (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 15.02.2010, Az.: 1 BvR 2236/09).

Expertentipp: Ein ärztliches Privatgutachten, auf das ein Anspruch wegen Krankheitsunterhalt gestützt wird, sollte Folgendes enthalten:

  • Befunde der Erkrankung und sich aus den Befunden ergebende Symptome
  • Sich daraus ergebende psychische und / oder physische Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit
  • Konkrete Auswirkungen der Krankheit auf die Arbeitskraft
  • Sich daraus ergebender vollständiger oder bis zu einem bestimmten Grad bestehender Ausschluss der Erwerbsfähigkeit und davon betroffene berufliche Tätigkeitsbereiche
  • Empfohlene Therapie einschließlich Therapieplan

Auch Heil­be­hand­lungs­maß­nah­men sind für den Un­ter­halt we­gen Krank­heit nach­zu­wei­sen

Für den Krankheitsunterhalt muss aber auch noch nachgewiesen werden, ob und an welcher zumutbaren Heilbehandlung bzw. an welchen Therapiemaßnahmen der geschiedene Ehegatte teilnimmt (BGH. Urteil vom 25.10.2006, Az.: XII ZR 190/03). Für den Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit sind also auch Nachweise über den Krankheitsverlauf und die Genesungsbemühungen beizubringen.

Hintergrund ist, dass der den Krankheitsunterhalt fordernde geschiedene Ehegatte regelmäßig alle Anstrengungen unternehmen muss, seine Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen. Eine zumutbare Heilbehandlung bzw. Therapiemaßnahme muss er daher für den Krankheitsunterhalt durchlaufen, sofern dadurch eine sichere Möglichkeit auf Heilung oder deutliche Besserung besteht. Das gilt ebenso für die Teilnahme an einer Suchttherapie.

Gro­be Un­bil­lig­keit: Hier kann der Un­ter­halt we­gen Krank­heit ver­wir­ken

Ist der Anspruch auf Krankheitsunterhalt grob unbillig, kann das Auswirkungen auf den zu zahlenden Unterhalt wegen Krankheit haben. Hier spielt speziell der Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 4 BGB eine große Rolle, wonach ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen ist, wenn der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Dazu gehören insbesondere die Fälle, in denen der anspruchsstellende Ehegatte eine gebotene und zumutbare Heilbehandlung in unterhaltsbezogener Leichtfertigkeit unterlässt (Oberlandesgericht (OLG) Urteil vom 27.09.2002, Az.: 10 UF 317/01). Das gilt ebenso, wenn in Kenntnis der Alkoholkrankheit eine Suchttherapie verweigert wird (OLG Naumburg, Beschluss vom 29.05.2006, Az.: 14 WF 16/06). Das führt in der Praxis sogar dazu, dass der gesamte Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit entfällt.

Wann und wie lan­ge kann Un­ter­halt we­gen Krank­heit ge­for­dert wer­den?

Zunächst kann der Anspruch auf Krankheitsunterhalt auch bereits vor der Ehe entstanden sein. Schwierig zu beurteilen für den Krankheitsunterhalt sind jedoch zum Teil solche Fälle, in denen die Erkrankung im Zeitpunkt der Scheidung bereits vorhanden war, aber noch nicht festgestellt wurde oder ausgebrochen ist.

Praxisbeispiel: Krankheitsunterhalt bei schwerem Krebsleiden

Die Eheleute Clara und Mark sind geschieden, wobei die Ehe kinderlos geblieben ist und Clara keinem Erwerb nachging. Wenige Monate nach der Scheidung wird bei Clara ein schweres Krebsleiden diagnostiziert, das bereits während der Ehe bestanden hatte, aber zuvor noch nicht festgestellt wurde. Clara arbeitete bis zu diesem Zeitpunkt seit der Scheidung zwar als Aushilfe in Vollzeit, hatte aber ihren Unterhalt noch nicht nachhaltig gesichert und kann nun aufgrund ihres Leides nicht mehr arbeiten. Sie verlangt daher von Mark Krankheitsunterhalt.

Folge: Da die Unterhaltskette durch die Vollzeittätigkeit unterbrochen ist, stünde Clara an sich kein Unterhalt wegen Krankheit zu. Auch war sie wegen dem Krebsleiden auch noch nicht teilweise erwerbsunfähig, so dass aufgrund der Verschlimmerung der vorhandenen Erkrankung ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt in Betracht käme. Clara hatte aber ihren Unterhalt bis zum Ausbruch des Leidens noch nicht nachhaltig gesichert, verfügte also noch über keinen Dauerarbeitsplatz. Daher steht ihr aufgrund der mangelnden eigenen wirtschaftlichen Sicherung grundsätzlich Krankheitsunterhalt zu.

Darüber hinaus kann es auch Fälle geben, in denen der Unterhalt wegen Krankheit auf Antrag des in Anspruch genommenen früheren Ehegatten nach § 1578b BGB herabgesetzt und / oder zeitlich befristet wird. Das ist etwa möglich, wenn nach der Scheidung zunächst Betreuungsunterhalt gezahlt wird und danach – fünf Jahre nach der Scheidung – der Anspruch auf Krankheitsunterhalt geltend gemacht wird. Hier wurde der Anspruch wegen Krankheit befristet, da die Ehe etwas weniger als fünf Jahre bestanden hatte (OLG Celle, Urteil vom 25.08.2008, Az.: 15 UF 277/07).

Expertentipp: Verlangt ein geschiedener Ehegatte Unterhalt wegen Krankheit und werden Sozialleistungen vom Job-Center gewährt, geht der Unterhaltsanspruch auf die Behörde über. Es ist dann nicht zu beanstanden, wenn der Anspruch auf Antrag des anderen Geschiedenen befristet wird (BGH, Urteil vom 28.04.2010, Az.: XII ZR 141/08).

Un­ter­halt we­gen Krank­heit er­for­dert Leis­tungs­fä­hig­keit des Pflich­ti­gen

Krankheitsunterhalt kann nur gefordert werden, wenn der geschiedene Ehegatte diesen bezahlen kann, also leistungsfähig ist. Ihm muss also nach Abzug etwaiger vorrangiger Unterhaltsverpflichtungen und dem Abzug seines Selbstbehalts ausreichend Geld zur Zahlung von Krankheitsunterhalt zur Verfügung stehen. Der Selbstbehalt sichert dessen eigenen Lebensunterhalt und soll vermeiden, dass er selbst sozialhilfebedürftig wird.

Fa­zit

Der Krankheitsunterhalt stellt sicher, dass der Partner trotz eines Gebrechens für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann. Die Voraussetzungen hierfür sind im § 1572 BGB geregelt.

Hiernach steht einem geschiedenen Ehepartner Krankheitsunterhalt zu, wenn er ein Gebrechen nachweisen kann, das ihn aktiv daran hindert, für sich selbst aufzukommen. Dieser Nachweis muss entweder zur Scheidung oder beim Wegfall anderer Unterhaltsansprüche vorliegen. Hierzu wird in der Regel das Gutachten eines Facharztes verlangt, um Betrugsfälle zu vermeiden. Wichtig ist hierbei, dass das Gebrechen bereits zum gesetzlich geforderten Zeitpunkt bestand. 

Neben dem Nachweis des Gebrechens ist darüberhinaus auch ein Nachweis über unternommene Therapie- oder Heilmaßnahmen für den Unterhalt wegen Krankheit erforderlich. Nur wenn sowohl der Krankheitsverlauf, als auch Maßnahmen, um die Krankheit zu heilen oder zumindest die Symptome abzumildern, nachgewiesen sind, besteht ein Anspruch auf den Unterhalt.

Selbstverständlich erfordert der Krankheitsunterhalt auch einen leistungsfähigen Unterhaltszahlenden.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion

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