Sind Sie nach Ihrer Scheidung krank, im fortgeschrittenen Lebensalter oder finden altersbedingt keine Arbeit, steht Ihnen Ehegattenunterhalt zu. Theoretisch besteht der Anspruch lebenslang. Um einen lebenslang zu zahlenden Ehegattenunterhalt mit dem Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Scheidung in Einklang zu bringen, kann Ihr Anspruch auf Ehegattenunterhalt eingeschränkt oder zeitlich begrenzt werden. Waren Sie jedoch lange Jahre verheiratet, beeinflusst die Dauer Ihrer Ehe auch den Ehegattenunterhalt und führt dazu, dass Ihr Anspruch im Ausnahmefall doch noch fortbesteht. Wir erklären, auf welche Aspekte es dabei ankommt.
Allein die Dauer Ihrer Ehe ist noch kein Kriterium, nach dem Sie Unterhalt beanspruchen können. Die Dauer Ihrer Ehe ist vielmehr ein wesentlicher Aspekt, wenn Sie sich dagegen wehren wollen, dass Ihr unterhaltspflichtiger Ex-Partner Ihren Unterhaltsanspruch nach der Scheidung herabsetzen oder zeitlich einschränken möchte. Voraussetzung ist, dass Ihnen aufgrund ehebedingter Nachteile überhaupt ein Unterhaltsanspruch nach der Scheidung zusteht.
Mit Wirkung zum 1.1.2008 hat der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht umfassend reformiert. Hintergrund war, den bis dahin eventuell lebenslang bestehenden Anspruch auf Ehegattenunterhalt an die gesellschaftlichen Veränderungen anzugleichen. Man wollte den Trend zur zweiten und dritten Ehe aufgreifen und damit den zunehmenden Neugründungen von Familien und den materiellen Bedürfnissen von Kindern und Ehepartnern in neuen Ehen Rechnung tragen.
Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.
Daher wurde in § 1569 BGB der Grundsatz der Eigenverantwortung eingeführt. Demnach muss jeder Ehegatte nach der Scheidung selbst für seinen regelmäßigen Unterhalt sorgen. Nur dann, wenn Sie sich aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht selbst versorgen können, haben Sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt.
Ehegattenunterhalt nach der Scheidung erhalten Sie nur, wenn Sie ehebedingte Nachteile in Kauf nehmen mussten und es gerechtfertigt erscheint, dass Ihr Ehepartner aufgrund seiner fortbestehenden nachehelichen Solidarität verpflichtet ist, Sie finanziell zu unterstützen. Um zu vermeiden, dass der unterhaltspflichtige Ehepartner zeitlebens Unterhalt zahlt, kann er den Unterhaltsanspruch auf Ihren angemessenen Lebensbedarf herabsetzen oder zeitlich begrenzen lassen. Die betreffende gesetzliche Regelung beinhaltet ein hohes Streitpotenzial.
Nach der Scheidung haben Sie nur Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn Sie infolge Ihrer Eheschließung ehebedingte Nachteile hingenommen haben. In Betracht kommt neben der Kinderbetreuung, dass Sie zum Zeitpunkt Ihrer Scheidung krank, gebrechlich oder im fortgeschrittenen Lebensalter sind oder aufgrund Ihrer Lebensumstände keinen angemessenen Arbeitsplatz mehr finden.
Sind Sie lange Jahre verheiratet gewesen und haben insoweit Anspruch auf Ehegattenunterhalt, kann der Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung herabgesetzt oder zeitlich befristet werden. Nach der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 war es zunächst so, dass nachehelicher Unterhalt nur solange gezahlt werden sollte, bis der bedürftige Ehepartner sich beruflich neu orientiert hatte und es ihm/ihr zuzumuten war, den Unterhalt alleine zu erwirtschaften. Wer im fortgeschrittenen Lebensalter war oder wegen der langen Ehedauer aus dem Beruf ausgeschieden war, hatte damit seine Schwierigkeiten. Trotzdem trafen Familienrichter nach der Reform viele Entscheidungen, die die Versorgung in solchen Fällen kappten und auch nach sehr langen Ehen die Unterhaltszahlungen auf wenige Jahre befristeten.
Um diese Ungerechtigkeiten aufzugreifen, stellte der Gesetzgeber im März 2013 klar, dass allein die lange Dauer einer Ehe genügen kann, um eine Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde § 1578b BGB in das Gesetz eingefügt. Jetzt spielt auch die lange Ehedauer eine wichtige Rolle. Das Gesetz enthält keine Aussage darüber, wann eine Ehe lange gewährt hat und wann sie weniger lang gewährt hat.
Bezweckt wird damit ein besserer Schutz von bedürftigen Ehegatten, die nach der Scheidung einer langjährigen Ehe durch die Beschränkung des Unterhalts nicht unverhältnismäßig stark getroffen werden sollten. Damit hat der Gesetzgeber das Kriterium der Ehedauer beim Unterhalt nach langer Ehe ausdrücklich als Billigkeitsmaßstab für die Unterhaltsbegrenzung festgelegt.
Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der mit Wirkung zum 1.3.2013 geänderte § 1578b BGB zusätzlich voraussetzt, dass über die lange Ehedauer hinaus eine wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten notwendig ist, aus der sich eine nacheheliche Solidarität ergibt. (BGH, Urteil vom 20.3.2013, Az. XII ZR 72/11). Wirtschaftliche Verflechtung bedeutet, dass ein Ehepartner seine Lebenssituation so sehr auf die Ehe ausgerichtet hat, dass er/sie nicht unbedingt mit einer Scheidung rechnen musste. Selbst wenn er mit einer Scheidung rechnen musste, wäre es ungerecht, ihn nach der Scheidung darauf zu verweisen, ausschließlich selbst für sich verantwortlich zu sein. Hierbei kommt das Kriterium der „nachehelichen Solidarität“ ins Spiel.
Die nacheheliche Solidarität ist ein wichtiges Kriterium für die Abwägung, ob ein Unterhaltsanspruch herabgesetzt oder zeitlich befristet werden kann. Eine exakte Definition gibt es nicht. Er bedeutet im Kern, dass Ehepartner auch nach der Scheidung darauf Rücksicht nehmen müssen, dass der Partner sich auf die Ehe eingestellt und faktisch sein gesamtes Leben danach ausgerichtet hat.
Dabei kommt insbesondere die Ehe von langer Dauer in Spiel, durch die die nacheheliche Solidarität verstärkt wird und damit wesentlich zur Begründung von lebenslangen, nicht begrenzten Unterhaltsansprüchen nach langer Ehe erheblich beitragen kann. Damit steht die lange Ehedauer auf einer Stufe mit ehebedingten Nachteilen. In der Bewertung kommt es stets auf die Umstände im Einzelfall an. Pauschale Wertungen sind nicht möglich. Aus der Rechtsprechung lassen sich insoweit keine allgemeingültigen Erkenntnisse ableiten:
All diese unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen führen vor Augen, dass eine zuverlässige Prognose über den Ausgang eines gerichtlichen Unterhaltsverfahrens nach langer Ehe nicht möglich ist. Auch Ihr Anwalt wird Ihnen nicht zuverlässig vorhersagen können, wie das Gericht entscheiden wird. Entscheidend kommt es darauf an, was Sie vortragen und wie Sie Ihre Lebenssituation darlegen und Ihren Unterhaltsanspruch begründen.
Will der unterhaltspflichtige Partner den Ehegattenunterhalt herabsetzen oder einschränken, muss er im Detail vortragen, dass trotz einer langen Ehedauer keine ehebedingten Nachteile bestehen oder nicht mehr bestehen. Gibt es dafür Ansätze, müssen Sie die Voraussetzungen der wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtung sowie die Umstände, aus denen sich ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich des Bestandes Ihrer Ehe ergibt, darlegen. Geht es darum, dass Sie durch Ihre Rollenverteilung in der Ehe Erwerbschancen verpasst haben, müssen Sie konkret darlegen, dass Sie die Bereitschaft zum beruflichen Aufstieg hatten und persönlich dazu geeignet und in der Lage gewesen wären (BGH FamRZ 2012, 93).
Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.
Heiratet der unterhaltspflichtige Partner nach der Scheidung erneut, wird der unterhaltspflichtige Ehepartner daran interessiert sein, seine Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehepartner wenigstens einzuschränken. Früher war es so, dass der Bundesgerichtshof nach der Dreiteilungsmethode verfahren ist. Demnach wurden die Einkommen aller drei Partner in einen Topf geworfen und dann geteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Methode für gesetzeswidrig erklärt (BVerfG, Az. 1 BvR 918/10).
Expertentipp: Anlass war die Verfassungsbeschwerde einer Frau. Sie war 24 Jahre lang mit ihrem Mann verheiratet und bekam nach der Scheidung zunächst 618 EUR Unterhalt. Als der Mann wieder heirate, waren es nur noch 488 EUR. Der Mann begründete die Unterhaltskürzung damit, dass er auch seiner neuen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet sei.
Besteht eine Unterhaltspflicht sowohl gegenüber einem geschiedenen als auch gegenüber einem neuen Ehegatten, ist nunmehr der Bedarf des geschiedenen Ehepartners allein auf der Grundlage der eheprägenden Einkünfte des geschiedenen Ehegattenpartners und des Unterhaltsschuldners zu ermitteln (OLG Zweibrücken 2 UF 68/11). Die Dreiteilungsmethode habe keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr habe der Gesetzgeber das Vertrauen der Ehepartner auf den grundsätzlichen Bestand einer Ehe schützen wollen. Dazu gehöre die Beibehaltung eines in der Ehe gemeinsam geschaffenen Lebensstandards. Daher sei es nicht gesetzeskonform, diesen sich daraus ergebenden Unterhaltsanspruch mit dem Argument zu kürzen, der Ehepartner habe mit der Wiederheirat neue Unterhaltspflichten übernommen.
Unterhaltsansprüche sind immer schwierig einzuschätzen. Sie hängen von einer Vielzahl von Voraussetzungen ab, die sich oft nur schwierig begründen lassen, während die Abwehr derartiger Ansprüche eher leichter fällt. Möchten Sie komplexe, kostenträchtige, zeitraubende und kaum kalkulierbare Unterhaltsprozess vermeiden, sollten Sie Unterhaltsansprüche möglichst in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln und es nicht darauf ankommen lassen, den Richter entscheiden zu lassen.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion