Bei einer „Geschwistertrennung“ betreut jeder Elternteil eines der gemeinsamen Kinder, muss aber dennoch dem anderen Kind Unterhalt zahlen. Doch wie funktioniert das in der Praxis? Im einfachsten Fall zahlt der besserverdienende Elternteil einen Differenzbetrag an den anderen. Dafür ist es aber wichtig, dass zunächst beide Unterhaltspflichten im Detail berechnet werden. Wie das funktioniert und was Sie sonst noch zum Thema „Unterhalt bei Geschwistertrennung“ wissen sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag. Wenn Sie gut informiert sind, können Sie bestenfalls unnötigen Streit vermeiden.
Tipp 1: Beziffern Sie den Kindesunterhalt
Haben Sie und Ihr Ex-Partner unterschiedlich hohe Einkommen, sollten Sie die Höhe des Kindesunterhalts nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle genau beziffern. Nur so wissen Sie, worüber Sie miteinander verhandeln.
Tipp 2: Nutzen Sie Ihren Auskunftsanspruch, um das Einkommen Ihres Ex-Partners zu kennen
Grundlage für die Berechnung der jeweiligen Unterhaltsansprüche ist das sogenannte „bereinigte Nettoeinkommen“. Um dieses in Erfahrung zu bringen, haben Sie einen Auskunftsanspruch. Nutzen Sie ihn.
Tipp 3: Prüfen Sie, ob Ihr Partner trotz geringen Einkommens Unterzahlt zahlen muss
Wenn Ihr Ex-Partner sehr wenig Geld verdient, ist er im Zweifel nicht unterhaltspflichtig – schließlich braucht er das Geld selbst zum Leben (Selbstbehalt). Das kann aber schon anders aussehen, wenn er oder sie in einer neuen Beziehung lebt oder weniger arbeitet als er bzw. sie es könnte.
Bei einer Geschwistertrennung gehen wir davon aus, dass Sie wenigstens zwei gemeinsame Kinder haben. Nach Ihrer Trennung oder Scheidung betreut jeder Elternteil jeweils ein gemeinsames Kind. Daraus ergeben sich im Familienrecht und insbesondere im Unterhaltsrecht Konsequenzen.
Sie als betreuender Elternteil erfüllen Ihre Unterhaltspflicht jeweils dadurch, dass Sie Ihr Kind versorgen, verpflegen und bei sich wohnen lassen. Sie leisten damit „Betreuungsunterhalt“. Umgekehrt ist derjenige Elternteil, der das Kind nicht betreut, verpflichtet, „Barunterhalt“ zu zahlen. Das Gesetz sieht Betreuungsunterhalt und Barunterhalt als gleichwertig an.
Mit anderen Worten: Jeder Elternteil erfüllt nur gegenüber dem bei ihm lebenden Kind seine Unterhaltspflicht durch Betreuung, Pflege und Erziehung. Für das jeweils andere Kind muss er hingegen Barunterhalt leisten. Wichtig wird dieser Unterschied, wenn die Elternteile unterschiedlich hohe Einkommen haben und sich deshalb unterschiedlich hohe Unterhaltsbeträge ergeben.
Sie stimmen mit Ihrem Ex-Partner oder Ihrer Ex-Partnerin überein, dass Sie gegenseitig auf die Unterhaltsansprüche Ihrer gemeinsamen Kinder verzichten möchten? In der Praxis vereinbaren Ex-Partner deswegen häufig sog. gegenseitige Freistellungserklärungen. Aus rechtlicher Sicht werden diese Ihnen im Ernstfall aber nicht viel nützen, denn:
a) Der Verzicht auf Kindesunterhalt ist rechtlich nicht erlaubt. Sie können von Gesetzes wegen nicht für die Zukunft auf Unterhalt verzichten (§ 1614 BGB). Diese Regelung soll verhindern, dass eine unterhaltsberechtigte Person öffentliche Leistungen wie etwa Hartz IV in Anspruch nehmen muss, obwohl sie möglicherweise Unterhaltsansprüche hat.
b) Daraus folgt, dass eine entsprechende Vereinbarung rechtlich nicht verbindlich ist. Sollte Ihr ehemaliger Partner später auf der Zahlung des vollen Kindesunterhalts bestehen, können Sie sich nicht auf Ihre Freistellungserklärung berufen.
In der Praxis wird es daher meist so aussehen, dass die jeweiligen Unterhaltsansprüche zunächst genau berechnet werden. Der Elternteil, der mehr Kindesunterhalt leisten muss, überweist dann dem anderen Elternteil die Differenz zwischen den beiden Ansprüchen.
Gut zu wissen: Beachten Sie jedoch, dass dies zwar ein pragmatischer Weg ist – rechtlich ändert er aber nichts daran, dass Sie sich beide jeweils Unterhaltszahlungen schulden. Die jeweiligen Ansprüche werden gerade nicht gegeneinander aufgerechnet. Das geht von Gesetzes wegen nur, wenn sich zwei Parteien gegenseitig Geld schulden (387 BGB). Hier schulden Sie das Geld aber nicht Ihrem Ex-Partner, sondern Ihrem Kind. Sie als Eltern sind nur die gesetzlichen Vertreter für ihre Kinder.
Die Höhe des Kindesunterhalts wird nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Je nach Einkommen wird der unterhaltspflichtige Elternteil in eine der Einkommensgruppen von 1 bis 10 der Düsseldorfer Tabelle eingestuft. Der zu zahlende Kindesunterhalt hängt außerdem davon ab, wie alt Ihr Kind ist. Außerdem wird das Kindergeld zur Hälfte auf den jeweiligen Unterhaltsbetrag angerechnet.
Gut zu wissen: Die Düsseldorfer Tabelle ist eigentlich für Richter geschrieben worden und daher nicht immer für jeden sofort verständlich. Wenn Sie sich selbst darin zurecht finden möchten, müssen Sie Folgendes wissen: Die Tabelle geht im Standardfall davon aus, dass Sie zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sind. Zahlen Sie nur einem Kind Unterhalt, werden Sie in die jeweils über Ihrem Einkommen liegende Einkommensgruppe eingeordnet (also in Gruppe 2 statt 1). Müssen Sie umgekehrt Unterhalt für 3 statt für 2 Kinder zahlen, werden Sie in die darunter liegende Gruppe eingeordnet (z.B. 2 statt 3).
Sie möchten einen schnellen Überblick, wie viel Unterhalt Ihrem Kind möglicherweise zustehen könnte? Als erste Orientierung können Sie hierzu unseren Unterhaltsrechner für den Kindesunterhalt nutzen.
Praxisbeispiel:
Die Mutter von zwei gemeinsamen Kindern betreut die bei ihr lebende Tochter (12 Jahre), während der Vater seinen Sohn (5 Jahre) betreut. Nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2021) ergeben sich folgende Unterhaltspflichten:
Mutter: Nettoeinkommen = 1.800 EUR
Ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn (5 Jahre) = 413 EUR
Abzüglich ½ Kindergeld in Höhe von 109,50 EUR = 303,50 EUR Unterhalt für Ihren Sohn
Vater: Nettoeinkommen = 3.000 EUR
Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter (12 Jahre) = 634 EUR
Abzüglich ½ Kindergeld in Höhe von 109,50 EUR = 524,50 EUR Unterhalt für Ihre Tochter
Zahlung der Differenz: 524,50 EUR - 303,50 EUR = 221 EUR
Ergebnis: Da der Vater ein höheres Nettoeinkommen hat, muss er der Mutter einen höheren Kindesunterhalt zahlen und damit die Differenz von 221 EUR für ihre Tochter überweisen
Voraussetzung für die Berechnung ist allerdings immer, dass Sie das Einkommen Ihres Ex-Partners kennen. Um das in Erfahrung zu bringen, haben Sie einen Anspruch gegenüber Ihrem ehemaligen Partner, Ihnen Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen. Er oder sie muss Ihnen die letzten Gehaltsabrechnungen sowie die Einkommensteuererklärung vorlegen.
Zunächst wird dann das durchschnittliche Bruttoeinkommen auf Grundlage des in den letzten 12 Monaten erzielten Einkommens berechnet. Von diesem Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialversicherungsabgaben, ehebedingte Verbindlichkeiten und Wohnkosten abzuziehen. Es ergibt sich das sogenannte „bereinigte Nettoeinkommen“. Dies Nettoeinkommen bestimmt die Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle und damit die Höhe der Unterhaltspflicht.
Expertentipp:
Hat Ihr Partner ein zu geringes Einkommen, kann es sein, dass er seiner Unterhaltspflicht nicht Folge leisten muss. Gemeint ist der sogenannte "Selbstbehalt" - das Mindesteinkommen, das jeder zum Leben braucht.
In manchen Fällen kann es aber sein, dass er oder sie zwar nur ein Einkommen hat, das den Selbstbehalt nicht übersteigt und dennoch Unterhalt leisten muss:
1. Wenn er oder sie in einer neuen Beziehung lebt und der neue Partner genug Geld für beide verdient.
2. Wenn Ihr Ex-Partner nur so wenig Geld zur Verfügung hat, weil er oder sie nicht bereit ist, dafür zu arbeiten, jedoch mehr arbeiten könnte.
Die Geschwistertrennung ändert nichts am Umgangsrecht. Beide Eltern haben ein Umgangsrecht mit dem Kind, das nicht bei ihnen lebt. Theoretisch könnten Sie dies so ausüben, dass Sie regelmäßig „die Kinder tauschen“. In den meisten Fällen ist das aber nicht empfehlenswert, schließlich sollen die Kinder ja auch eine emotionale Bindung untereinander haben. Die beste Lösung wäre es daher sicherlich, dass die Kinder gemeinsame Zeit miteinander verbringen. Insoweit sollte sich das Umgangsrecht nicht unbedingt überschneiden.
Was sich auf den ersten Eindruck so einfach anhört, birgt in der Praxis Konfliktpotenzial. Es mag wie eine einfache Lösung klingen, dass beide Elternteile gegenseitig auf die Unterhaltsansprüche ihrer Kinder verzichten. Dies ist jedoch weder rechtlich erlaubt noch praktikabel. Die beste Lösung liegt darin, dass die jeweiligen Unterhaltsansprüche zunächst ausgerechnet werden und dann der besserverdienende Elternteil dem anderen die Differenz überweist.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion