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Zum An­walt oder zum Ju­gend­amt?

Bild: Zum Anwalt oder zum Jugendamt?

Was ist die Be­rech­nung durch An­walt oder Ju­gend­amt?

In Deutschland können sowohl Anwälte wie auch das Jugendamt die Höhe des Kindesunterhalts berechnen. Den Ehegattenunterhalt können Sie auch anwaltlich, jedoch nicht vom Jugendamt berechnen lassen. Im Streitfall wird die Unterhaltshöhe immer durch das Gericht festgelegt. Sowohl Unterhaltsberechtigter als auch -schuldner können ihrerseits die Berechnung des Kindesunterhalts nachprüfen, die durch die gegnerische Seite veranlasst wurde.

Kurz­fas­sung - Al­les auf ei­nen Blick

  • Den Kindesunterhalt können Sie sowohl vom Jugendamt als auch anwaltlich berechnen lassen. Beide Methoden bergen ihre Vor- und Nachteile.
  • Die Unterhaltspflicht kann rechtsverbindlich und vollstreckbar in einer Jugendamtsurkunde oder in einer notariellen Urkunde, z.B. in einer Scheidungsfolgenvereinbarung oder einer Unterhaltsvereinbarung, dokumentiert werden.
  • Das Jugendamt kann Ihr Kind außergerichtlich und gerichtlich vertreten. Allerdings sind die Mitarbeitenden regelmäßig keine Volljuristen bzw. -juristinnen und besitzen keine Fachausbildung im Familienrecht.

Un­ter­halts­be­rech­nung durch das Ju­gend­amt

Das Jugendamt ist Ihr Ansprechpartner, wenn es um Belange Ihres Kindes geht. Insbesondere können Sie beim Jugendamt, sei es als Unterhaltsgläubiger (also diejenige Person, die Unterhalt fordert), als auch als Unterhaltsschuldner (also diejenige Person, die Unterhalt schuldet), den Unterhaltsanspruch für Ihr Kind berechnen lassen. Die Probleme, wenn es um die Berechnung des Unterhalts geht, sind aber die gleichen, als wenn Sie zum Anwalt gingen.

Verweigert der unterhaltspflichtige Elternteil jegliche Auskünfte über seine Einkommensverhältnisse oder zahlt schlicht keinen Unterhalt, kann auch das Jugendamt zunächst nur versuchen, eine Verständigung herbeizuführen. Kann das Jugendamt den unterhaltspflichtigen Elternteil von seiner Unterhaltspflicht überzeugen, führt die Vermittlung des Jugendamtes bestenfalls dazu, dass der Elternteil seine Unterhaltspflicht in einer Jugendamtsurkunde anerkennt.

Ist keine Einigung möglich, kann das Jugendamt Sie als Unterhaltsgläubiger darin unterstützen, den Kindesunterhalt gerichtlich geltend zu machen. In diesem Fall müssen Sie beim Jugendamt schriftlich beantragen, dass das Jugendamt für Ihr Kind als Beistand tätig wird. Das Sozialgesetzbuch sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Ihre elterliche Sorge für das Kind wird dadurch aber nicht eingeschränkt. Der Beistand vertritt Ihr Kind außergerichtlich und vor Gericht. Allerdings hat der Beistand im Verfahren über den Kindesunterhalt eine vorrangige Entscheidungsbefugnis, wenn es darum geht, das Verfahren vor Gericht zu führen.

Ihr Vorteil kann mithin darin bestehen, dass Sie sich im Hinblick auf die Beziehung zu Ihrem Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin psychisch belastet fühlen. Verhandelt das Jugendamt den Unterhalt, werden Sie von dieser Belastung möglicherweise entlastet. Sie stehen nicht mehr direkt an der Front zu Ihrem Ex-Partner oder Ihrer Ex-Partnerin. Die gleiche Entlastung erfahren Sie aber auch dann, wenn Sie sich von einem Anwalt oder einer Anwältin betreuen lassen.

Sie sind Unterhaltsgläubiger

Sie sollten noch einen wichtigen Aspekt berücksichtigen: Gehen Sie zum Jugendamt und lassen den Unterhalt berechnen, wird das Jugendamt Ihren Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnerin zur Stellungnahme und zur Information über die Einkommensverhältnisse auffordern. Sieht sich Ihr Ehepartner dann veranlasst, Ihre Erziehungsfähigkeit für Ihr gemeinsames Kind in Zweifel zu ziehen, riskieren Sie möglicherweise, dass das Jugendamt diese Kritik aufgreift und Ihre familiäre Situation überprüft. Selbst wenn sich die Zweifel als substanzlos herausstellen, ist dies erstmal eine Belastung für die gesamte Familie.

Sie sind Unterhaltsschuldner

Sofern Sie das Jugendamt als Interessenvertreter des Kindes betrachten, könnten Sie Zweifel haben, ob das Jugendamt sich wirklich zu einer objektiv richtigen Berechnung des Unterhalts veranlasst sieht und Ihr unterhaltsrelevantes Einkommen wirklich so erfasst, wie es richtig ist. Sie fragen sich womöglich, ob das Jugendamt den Kindesunterhalt viel zu hoch ansetzt und nicht berücksichtigt, dass Sie Ihr Einkommen um bestimmte Verbindlichkeiten oder ehebedingte Schulden reduzieren dürfen. Werden Sie durch den Unterhaltsgläubiger aufgefordert, Ihre Unterhaltspflicht in einer Jugendamtsurkunde anzuerkennen, sind Sie nicht verpflichtet, diese Jugendamtsurkunde wirklich zu erstellen. Sie sind lediglich verpflichtet, Ihre Unterhaltspflicht rechtsverbindlich anzuerkennen und dem Unterhaltsgläubiger einen vollstreckbaren Unterhaltstitel zu übergeben. Diese Anerkennung kann auch in einer Scheidungsfolgenvereinbarung oder in einer notariellen Urkunde erfolgen.

Bedenken Sie: Gehen Sie direkt zum Jugendamt und erkennen in der Jugendamtsurkunde an, haben Sie kaum noch eine Möglichkeit, eventuelle Fehler nachträglich korrigieren zu lassen. Es zählt das, was Sie anerkannt haben. Allein die Überlegung, dass die Anerkennung beim Jugendamt gebührenfrei ist, sollte Sie nicht verleiten, voreilig etwas anzuerkennen, was Sie gar nicht anerkennen müssen.

So kommt es beispielsweise darauf an, ob Sie den Kindesunterhalt in statischer oder in dynamisierter Form anerkennen. Erkennen Sie den Unterhalt in einem konkreten Betrag statisch an, können Sie später auch dann nichts mehr ändern, wenn sich Ihre Verhältnisse geändert haben. Erkennen Sie dynamisiert an, kommt es darauf an, in welcher prozentualen Höhe des Mindestunterhalts Sie Ihre Unterhaltspflicht anerkennen. Die Anerkennung beim Jugendamt kann insofern ratsam sein, wenn Sie einen Grundbetrag anerkennen und sich nur noch wegen eines darüberhinausgehenden weiteren Betrages streitig auseinandersetzen wollen. Mit der Anerkennung des Grundbetrages reduzieren Sie den Streitwert für eine eventuelle gerichtliche Auseinandersetzung und zahlen auch weniger Anwaltsgebühren für die anwaltliche Beratung und eventuelle Vertretung vor Gericht.

Expertentipp: Wenn der Kindesunterhalt zu hoch angesetzt war

Wurde Ihre Unterhaltspflicht zu hoch berechnet, können Sie zu viel gezahlten Unterhalt theoretisch wieder zurückfordern. In der Praxis ergeben sich dabei aber einige rechtliche und tatsächliche Probleme, sodass die Gefahr besteht, dass Ihre Erstattungsansprüche ins Leere laufen.

An­walt­li­che Kin­des­un­ter­halts­be­rech­nung

Bei Behörden kann es je nach Bearbeitungsdauer und Arbeitsauslastung zu längeren Bearbeitungszeiten kommen. Wenn Sie auf schnelle Hilfe angewiesen sind, kann es daher vorteilhaft sein, die Unterhaltsberechnung direkt von einem im Familienrecht kompetenten und erfahrenen Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin durchführen lassen. Auch wenn Sie dafür eine anwaltliche Gebühr zahlen, dürfte sich eine eventuelle Ersparnis in wenigen Monaten amortisiert haben.

Ein entscheidendes Argument für die anwaltliche Beratung könnte sein, dass Sie sowieso einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin beauftragen müssen, wenn Sie mit der Unterhaltsberechnung des Jugendamtes nicht einverstanden sind. Lassen Sie Ihre Unterhaltspflicht gerichtlich klären, müssen Sie sich vor den Familiengerichten nämlich zwingend anwaltlich vertreten lassen. Insoweit erscheint es naheliegend, dass Sie sich im Hinblick auf Ihre unterhaltsrechtliche Situation direkt an einen im Familienrecht erfahrenen Rechtsanwalt oder an eine Rechtsanwältin wenden.

Expertentipp: Kindesunterhaltsfragen zusammen mit Scheidung abwickeln

Leben Sie von Ihrem Ex-Partner oder Ihre Ex-Partnern getrennt und beabsichtigen die Scheidung, empfiehlt sich ohnehin, dass Sie den Kindesunterhalt als Scheidungsfolge im Zusammenhang mit Ihrer Trennung und Scheidung thematisieren. Da Sie sich wegen des Scheidungsantrags ohnehin anwaltlich vertreten lassen müssen, kann Ihr Anwalt bzw. Ihre Anwältin auch gleich den Kindesunterhalt berechnen. Dies gilt erst recht, wenn der Kindesunterhalt mit Ihrem Scheidungsverfahren im Scheidungsverbund verhandelt wird.

Ist ein Un­ter­halts­rech­ner im In­ter­net ei­ne Op­ti­on?

Unterhaltsrechner im Netz bieten eine erste Orientierungshilfe zur Unterhaltsberechnung. Sie ersetzen jedoch keinesfalls eine individuelle Berechnung, da die spezifischen familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse nur sehr begrenzt abgefragt werden können. Da es in Ihrem Interesse, sowohl als Unterhaltsgläubiger, als auch als Unterhaltsschuldner, maßgeblich darauf ankommt, dass Sie das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen richtig berechnen, sollten Sie sich nach Möglichkeit individuell informieren und beraten lassen.

Die bes­te Be­rech­nungs­me­tho­de für Sie, um Kin­des­un­ter­halt zu be­rech­nen

Um Sie bei der Entscheidung zu unterstützen, haben wir wichtige Aspekte tabellarisch zusammengefasst. So können Sie für sich entscheiden, wo Sie den Unterhaltsanspruch berechnen lassen möchten.

 

Vor- und Nachteile bei Berechnung durch das Jugendamt

In der folgenden Tabelle sind wichtige Vor- und Nachteile aufgelistet, die Sie bei der Berechnung durch das Jugendamt beachten sollten:

VorteileNachteile
Das Jugendamt kann den Unterhaltsgläubiger als Beistand außergerichtlich und gerichtlich vertreten.Das Jugendamt vertritt die Interessen des Kindes, dadurch könnte sich der barunterhaltspflichtige Elternteil benachteiligt fühlen.
Die Anerkennung der Unterhaltspflicht in der Jugendamtsurkunde ist gebührenfrei möglich.Erkennen Sie Ihre Unterhaltspflicht einseitig in der Jugendamtsurkunde an, kann der betreuende Elternteil im Wege eines Abänderungsantrags bei Gericht trotzdem immer noch einen höheren Unterhalt einfordern.
Die Anerkennung eines Sockelbetrages beim Kindesunterhalt reduziert das Kostenrisiko, wenn Sie sich wegen eines darüberhinausgehenden weiteren Betrages gerichtlich auseinandersetzen müssen.Die Anerkennung eines Sockelbetrages beim Kindesunterhalt reduziert das Kostenrisiko, wenn Sie sich wegen eines darüberhinausgehenden weiteren Betrages gerichtlich auseinandersetzen müssen.

Vor- und Nachteile bei anwaltlicher Unterhaltsberechnung

In der folgenden Tabelle sind wichtige Vor- und Nachteile aufgelistet, die Sie bei der anwaltlichen Berechnung beachten sollten:

VorteileNachteile
Sie sind nicht verpflichtet, Ihre Unterhaltspflicht in der Jugendamtsurkunde anzuerkennen. Sie können die Unterhaltspflicht also auch im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung regeln, wenn Sie sich scheiden lassen und so alles in einem Dokument regeln.Für die anwaltliche Tätigkeit fallen Gebühren an, die Sie zahlen müssen. Denken Sie also daran, sich vorab über die Kosten zu informieren und z.B. einen Kostenvoranschlag anzufordern.
Insbesondere Ihre persönlichen, beruflichen, familiären und finanziellen Verhältnisse als Unterhaltsschuldner können angemessen berücksichtigt werden. 
Die Bearbeitung durch das Jugendamt kann je nach Auslastung längere Zeit dauern, bei der anwaltlichen Berechnung können Sie jedoch selber eine Kanzlei wählen, die die Unterhaltsberechnung schnell durchführen kann. 

Wer be­rech­net Tren­nungs- und nach­e­he­li­chen Ehe­gat­ten­un­ter­halt?

Trennungs- und nachehelichen Ehegattenunterhalt können Sie nicht beim Jugendamt berechnen lassen. Jedoch kann Ihnen ein Anwalt bzw. Anwältin bei der Berechnung helfen. Das Ergebnis können Sie dann in einem schriftlichen Dokument wie der Scheidungsfolgenvereinbarung festhalten. Ansonsten berechnet das Gericht im Streitfall die Höhe und legt fest, wie viel Unterhalt zu zahlen ist.

Ehegattenunterhalt

Ehe­gat­ten­un­ter­halt

Wie wird der Ehegattenunterhalt berechnet? Erfahren Sie, was Sie beim Ehegattenunterhalt beachten müssen.

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Aus­klang - Am En­de wird al­les im­mer gut

Es bleibt letztlich Ihre persönliche Entscheidung, ob Sie die Unterhaltsberechnung durch das Jugendamt oder durch einen Anwalt oder eine Anwältin vornehmen lassen. Ziehen Sie den Überblick der Vor- und Nachteile als Entscheidungshilfe heran und wägen ab, welche Option für Ihre Situation am besten ist. Sie können sich auch dafür entscheiden, erstmal ein Gespräch zu führen, um alle wichtigen Fragen zu stellen, bevor Sie den Unterhalt verbindlich von einer Stelle berechnen lassen.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion

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