Ziehen Sie nach Ihrer Trennung oder Scheidung mit Ihrem gemeinsamen Kind in eine andere Stadt, nehmen Sie Ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht wahr. Da das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, Teil des gemeinsamen Sorgerechts ist, stellt sich die Frage, ob Sie für den Umzug die Zustimmung des anderen Elternteils benötigen und ob dieser den Umzug verhindern kann. Wir erklären, was Sie dazu wissen sollten.
Sind Sie verheiratet, ist das gemeinsame Sorgerecht normalerweise kein Thema. Idealerweise sorgt sich jeder Elternteil so gut er kann um das gemeinsame Kind. Kommt es zur Trennung oder Scheidung der Eltern, bekommt das Sorgerecht oft einen ganz anderen Stellenwert. Elternteile glauben bisweilen, sie seien ausschließlich und allein für das Kind verantwortlich und verweisen den anderen Elternteil gerne auf eine bloße Statistenrolle. Klar ist, dass sich infolge von Trennung und Scheidung mindestens Schwierigkeiten ergeben können, wenn es darum geht, das gemeinsame Sorgerecht zu handhaben.
Das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind besteht trotz und nach Trennung und Scheidung der Eltern unverändert fort. Auch die Scheidung ändert nichts daran, dass die gemeinsame Verantwortung für das Kind fortbesteht.
Gut zu wissen: Teil des Sorgerechts ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht (§ 1631 BGB). Beabsichtigen Sie, mit dem Kind in eine andere Stadt umzuziehen, üben Sie das elterliche Recht aus, den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen zu dürfen. Da Ihre Entscheidung das gemeinsame Sorgerecht tangiert, sind Sie auf die Zustimmung des anderen Elternteils angewiesen. Daraus ergeben sich in der Praxis typische Probleme.
Kindesentführung ist strafbar, wenn ein Elternteil das Kind ins Ausland verbringt oder aus dem Ausland nicht nach Deutschland zurückbringt (§ 235 Abs. II StGB). Voraussetzung ist aber stets, dass mindestens das Aufenthaltsbestimmungsrecht beider Elternteile besteht und der Umzug in eine andere Stadt der Zustimmung des nicht betreuenden Elternteils bedurft hätte.
Zieht der Elternteil hingegen innerhalb Deutschlands um, spricht der Gesetzgeber von einer Kindesentziehung. Auch die Kindesentziehung ist ein Straftatbestand. Voraussetzung ist aber, dass das minderjährige Kind „mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List“ dem anderen Elternteil entzogen wurde (§ 235 Abs. I StGB). Entziehung bedeutet, dass das Kind der Obhut des betreuenden Elternteils auf eine gewisse Dauer entzogen wurde. Wenige Stunden genügen dafür jedenfalls nicht. Da der Tatbestand einer „Kindesentziehung“ erhebliche Nachweisprobleme aufwirft, ist der Straftatbestand auf eher seltene Ausnahmefälle beschränkt.
Geht es um das Sorgerecht, gibt es keine pauschalen Vorgaben. Die Gerichte haben in einer Vielzahl von Einzelfällen Entscheidungen getroffen, aus denen sich mehr oder weniger konkrete Anhaltspunkte ergeben, wie Sie auch Ihre Situation beurteilen könnten. Wichtig ist, dass Sie dazu vorab die Grundsätze kennen, nach denen Gerichte Sorgerechtsangelegenheiten beurteilen. Ohne Kenntnis dieser Gegebenheiten bleibt die Beurteilung eines Sachverhalts Spekulation.
Worauf bei einer Trennung und Scheidung mit Kind geachtet werden muss, erfahren Sie hier.
Besteht das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile nach der Scheidung fort, müssen Sie als betreuender Elternteil den anderen Elternteil um seine Zustimmung bitten, wenn Sie mit dem Kind in eine andere Stadt umziehen möchten. Hat der Elternteil keine Vorbehalte, gibt es keine Probleme.
Verweigert der andere Elternteil seine Zustimmung zum Umzug, streiten Sie über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Gelingt keine Einigung, entscheidet in letzter Konsequenz das Familiengericht.
Beide Elternteile können beim Familiengericht beantragen, einem Elternteil das alleinige Sorgerecht oder wenigstens das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Soweit Sie nur um das Aufenthaltsbestimmungsrecht streiten und ansonsten keine Probleme miteinander haben, wird das Gericht im Regelfall nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen. Das Gericht hat dazu den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe und das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs zu beachten (BGH, FamRZ 2012, 99). Dann kann der insoweit sorgeberechtigte Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen und letztlich auch einen Umzug in eine andere Stadt organisieren.
Mit den Kindern muss man zart und freundlich verkehren. Das Familienleben ist das beste Band. Kinder sind unsere besten Richter.
Können Sie sich mit dem anderen Elternteil überhaupt nicht mehr verständigen und streiten auch über sonstige Angelegenheiten des Kindes, kommt die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil in Betracht. Funktioniert die gemeinsame elterliche Sorge nicht und sind Sie nicht zu gemeinsamen Entscheidungen im Interesse des Kindes fähig, wird der Richter der alleinigen Sorge den Vorzug geben (BGH, FamRZ 1999, 1646). Es gibt insoweit keinen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Voraussetzung für die alleinige Sorge eines Elternteils ist, dass
Gut zu wissen: Die räumliche Nähe eines Elternteils zum Kind ist keine Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Sorgerechts (BVerfG, FamRZ 2004, 1015). Auch wenn Sie in eine andere Stadt umziehen und der umgangsberechtigte Elternteil Schwierigkeiten hat, den Umgang mit dem Kind wahrzunehmen, besteht angesichts moderner Kommunikationsmöglichkeiten keine Probleme, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten (OLG Köln, FamRZ 2003, 1036). Ein Umzug innerhalb Deutschlands ist daher im Regelfall kein Grund für die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Ziehen Sie hingegen ins Ausland um, gelten meist andere Kriterien, da die Erreichbarkeit durch faktische Gegebenheiten oft eingeschränkt sein kann.
Da es keine pauschalen Vorgaben geben kann, entscheiden sich Einzelfälle immer nach den Umständen. Wir zitieren dazu eine Reihe von Fallbeispielen aus der Praxis. Berücksichtigen Sie bitte, dass die Urteile teils scheinbar widersprüchliche Ergebnisse zeigen. Grund ist immer, was die Elternteile im Einzelfall vortragen und wie ein Richter die Situation beurteilt.
Expertentipp: Die unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen zeigen, wie schwierig es ist, im Einzelfall eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Insoweit kommt es stets darauf an, dass Sie gute Gründe anführen, wenn Sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine beanspruchen und den anderen Elternteil von einer Entscheidung ausschließen wollen. Umgekehrt, wenn Sie dem Aufenthaltsbestimmungsrecht des umzugswilligen Elternteils entgegentreten wollen, müssen Sie Gründe vortragen, die gegen den Umzug sprechen. In Betracht kommt, dass das Kind nicht aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen werden soll, seine sozialen Kontakte möglichst erhalten bleiben, Geschwister nicht auseinandergerissen werden oder dass der Umzug vorwiegend den Zweck hat, das Umgangsrecht zu vereiteln.
Das Thema ist schwierig. Jeder Elternteil sollte überlegen, welche Interessen für oder gegen einen Umzug in eine andere Stadt sprechen. Machen Sie Ihr Kind nicht zum Gegenstand Ihrer eigenen Interessen. Erkennen Sie an, wenn auch der andere Elternteil Verantwortung für das Kind tragen möchte und dazu auf ein praktikables Umgangsrecht angewiesen ist.
Sofern Sie für einen Umzug in eine andere Stadt handfeste Gründe benennen können, sollte es im Interesse aller Beteiligten liegen, eine wie auch immer geartete angemessene Regelung zu finden, die allen Interessen gerecht wird.Diese könnte darin bestehen, dass der insoweit benachteiligte Elternteil ein besonders großzügiges Umgangsrecht erhält. Idealerweise sollten Sie es nicht auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen. Sie riskieren, dass der Richter entgegen Ihrem Interesse entscheidet. Sie riskieren, dass in einem Sorgerechtsstreit viel schmutzige Wäsche gewaschen wird und Ihr Kind in eine Auseinandersetzung einbezogen wird, in der es sich nur noch als Objekt fühlt.
Sorgerechtsstreitigkeiten sind immer voller Emotionen. Jeder Elternteil glaubt, er trage in besonderem Maße Verantwortung für das Kind, zu der der andere Elternteil nicht in der Lage sei. Wenn Sie berücksichtigen, dass es dabei letztlich auch um die Interessen Ihres gemeinsamen Kindes geht, sollte es möglich sein, eine einigermaßen praktikable Regelung zu finden. Ohne eine gegenseitige Kompromissbereitschaft funktioniert dies aber nicht.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion