Die meisten Unterhaltsansprüche im deutschen Familienrecht setzen voraus, dass bei der Unterhaltszahlung der Berechtigte als Bedürftiger auf finanzielle Hilfe angewiesen und der Pflichtige als Leistungsfähiger in der Lage ist, den Berechtigten ausreichend zu unterstützen. Dabei gelten bestimmte Regeln. So hat sich der Bedürftige etwa eigenes Einkommen oder Vermögen grundsätzlich auf seinen Bedarf anrechnen zu lassen, während dem Pflichtigen ein unantastbares Existenzminimum zur Deckung dessen eigenen Bedarfs verbleiben muss. Worauf es bei diesen Grundvoraussetzungen für die Unterhaltszahlung ankommt und was für Sie wichtig ist, erfahren Sie in diesem Artikel.
Bedürftigkeit im Sinne des Unterhaltsrechts ist stets vorhanden, wenn der Berechtigte seinen Lebensunterhalt aus eigenem Erwerbseinkommen, Vermögenseinkünften oder seinem Vermögen nicht finanzieren kann. Die Bedürftigkeit besteht aber nur in der Höhe, in der der Bedarf des Berechtigten nicht gedeckt ist. Reichen die eigenen Einkünfte des Berechtigten also dafür aus, einen Teil seines Bedarfs selber abzudecken, ist er in dieser Höhe nicht bedürftig. Dazu sollten Sie folgendes wissen:
Speziell unverheiratete minderjährige Kinder sind mangels eigenem Einkommen oder eigenem Vermögen in Bezug auf Unterhaltszahlung immer bedürftig. Daher haben sie Anspruch auf Kindesunterhalt, wobei die Bedürftigkeit von minderjährigen Kindern ausdrücklich in § 1602 Abs. 2 BGB geregelt ist. Den unverheirateten minderjährigen Kindern sind die sogenannten privilegierten volljährigen Kinder (unverheiratet, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebend und in der allgemeinen Schulausbildung) gleichgestellt.
Leben die Eltern getrennt und das minderjährige Kind bei einem Elternteil, erbringt dieser den sogenannten Naturalunterhalt, also Unterhalt durch Unterkunft, Kost, Kleidung, Taschengeld usw. Der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, muss Barunterhalt leisten. Wird das Kind volljährig und lebt es weiterhin bei einem Elternteil, schulden grundsätzlich beide Elternteile Barunterhalt. Da aber regelmäßig der den Naturalunterhalt leistende Elternteil bestimmen kann, wie er den Unterhalt gewährt, bleibt es meist beim Naturalunterhalt. Nur dann, wenn besondere Belange des volljährigen Kindes eintreten (etwa ständiger Streit mit dem Elternteil, so dass ein weiteres Zusammenleben von Kind und Eltern unzumutbar ist), muss auch der Naturalunterhalt leistende Elternteil Barunterhalt gewähren.
Bei sonstigen volljährigen Kindern, insbesondere auswärts lebenden Studenten oder Kindern mit eigenem Hausstand, kommt es weniger auf deren Bedürftigkeit als vielmehr auf die Leistungsfähigkeit der Eltern an. Grundsätzlich schulden die Eltern den Kindern jedoch eine angemessene Ausbildung.
Auch beim Ehegattenunterhalt kann Bedürftigkeit bestehen. Das gilt sowohl für den Trennungsunterhalt als auch für den nachehelichen Unterhalt (Scheidungsunterhalt, Geschiedenenunterhalt). Beim Trennungsunterhalt besteht allerdings im ersten Trennungsjahr grundsätzlich keine (zusätzliche) Erwerbsobliegenheit des geringer bzw. gar nicht verdienenden Ehegatten, so dass insoweit Bedürftigkeit angenommen wird. Erst anschließend kommt eine Erwerbsobliegenheit in Betracht. Dagegen besteht beim nachehelichen Unterhalt der Grundsatz der Eigenverantwortung, wonach jeder Geschiedene seinen Lebensunterhalt selber finanzieren muss. Lediglich dann, wenn einer der gesetzlichen Tatbestände für den nachehelichen Unterhalt eingreift (etwa Betreuungsunterhalt für unter dreijährige Kinder), kommt eine Bedürftigkeit des Geschiedenen und damit ein Unterhaltsanspruch gegen seinen früheren Ehepartner in Betracht.
Anders als beim Trennungsunterhalt wird beim nachehelichen Unterhalt der Bedarf häufig nach § 1578b BGB auf die angemessene Höhe herabgesetzt und / oder der Unterhaltsanspruch zeitlich befristet. Davon ausgenommen sind regelmäßig Ehen von langer Dauer, also von über 15 bis 20 Jahren. Ob letztlich eine Herabsetzung oder Befristung erfolgt, wird im konkreten Einzelfall vom Familiengericht entschieden.
Zunächst besteht für den Berechtigten die Verpflichtung, seinen Bedarf möglichst niedrig zu halten, um den Unterhaltspflichtigen nicht unnötig mit Unterhaltsansprüchen zu belasten. Unterlässt der Bedürftige es, zumutbare Einkünfte zu erzielen (etwa mutwillige Kündigung einer Teilzeitbeschäftigung), hat er sich so behandeln zu lassen, als würde er diese Einkünfte weiterhin bzw. tatsächlich erhalten. Dieser mögliche, aber unterlassene Verdienst kann dem Berechtigten daher fiktiv angerechnet werden.
Umgekehrt kann es aber auch vorkommen, dass der Berechtigte mehr arbeitet als er müsste. So ist etwa eine Mutter, die ein aus der Ehe stammendes Kleinkind betreut, zur Ausübung eines Mini-Jobs nicht verpflichtet. Geht sie einer solchen geringfügig entlohnten Beschäftigung trotzdem nach, ist die Frage, wie das überobligationsmäßig erzielte Erwerbseinkommen auf ihren Bedarf bei der Unterhaltszahlung anzurechnen ist. Zwar ist ein solches Einkommen an sich nicht zu berücksichtigen. In der Praxis wird dieser Verdienst jedoch – nach Abzug der anteiligen berufsbedingten Aufwendungen – meistens zur Hälfte auf den Bedarf angerechnet.
Hat der Berechtigte Einkünfte aus Vermögen (etwa Zins- oder Kapitalerträge), mindern diese seinen Bedarf und sind daher anzurechnen. Dies gilt auch bei Mieteinnahmen aus einer Immobilie, deren Eigentümer er ist und die von ihm nicht bewohnt wird. Hier ist allerdings – wie auch bei anderen vermögensbildenden Maßnahmen – zu berücksichtigen, dass die Schuldzinsen für die Immobiliendarlehen von den Mieteinahmen abgezogen werden dürfen, während die Tilgungszahlungen auf diese Darlehen unberücksichtigt bleiben.
Lebt der Berechtigte hingegen mietfrei in der eigenen Immobilie, muss er sich einen sogenannten Wohnvorteil anrechnen lassen, der seinen Bedarf mindert. Dabei gelten je nach Art und Dauer des Unterhalts verschiedene Berechnungsweisen für den Wohnvorteil. So müssen sich Berechtigte beim Trennungsunterhalt im ersten Jahr als Wohnvorteil grundsätzlich nur das anrechnen lassen, was eine kleinere, günstigere Wohnung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt an Miete kostet. Danach und beim nachehelichen Unterhalt ist regelmäßig das als Wohnvorteil zu berücksichtigen, was sich mit der Vermietung des abbezahlten Eigenheims erzielen lassen würde. Daneben bestehen weitere Besonderheiten, etwa wenn die Immobilie noch nicht vollständig bezahlt ist.
Schließlich kann der Ehegattenunterhalt wegen grober Unbilligkeit beschränkt oder versagt werden. Der typische Fall ist, dass sich der getrenntlebende oder geschiedene Ehegatte in einer verfestigten neuen Lebensgemeinschaft befindet. Hier wird der Bedarf des Bedürftigen durch die gemeinsame Wirtschaftsführung in der neuen Beziehung regelmäßig gemindert. In der Praxis besteht jedoch häufig das Problem, die „Verfestigung“ der Lebensgemeinschaft nachzuweisen.
Expertentipp: Wann genau eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, ist Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen. Regelmäßig ist ein Zusammenleben von mindestens ein bis zwei Jahren erforderlich, wobei auch das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und die wirtschaftliche Verflechtung der Lebensgemeinschaft von Bedeutung sind. Beweispflichtig für das Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft ist stets der Unterhaltspflichtige.
Unterhalt zahlen kann nur derjenige, der leistungsfähig ist. Das setzt voraus, dass das Einkommen des Pflichtigen aus Erwerb und Vermögen zur Abdeckung der Unterhaltsansprüche der Berechtigten ausreicht. Dabei muss dem Pflichtigen allerdings so viel verbleiben, dass sein eigener Lebensunterhalt nicht gefährdet ist. Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit bzw. der erzielten Einkünfte ist folgendes für Sie wichtig:
Bezieht der Pflichtige Entgelt aus einem Arbeits- oder Angestelltenverhältnis, werden für die Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit bei der Unterhaltszahlung die Brutto-Einkünfte der letzten 12 Monate und der letzte Einkommensteuerbescheid zugrundegelegt. Dazu gehören auch Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, branchen- oder berufsübliche Überstunden sowie ca. 1/3 der erstatteten Spesen und Auslagen, zudem auch geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers (etwa vergünstigte Waren oder eine Wohnung). Auch ein etwaiger Dienstwagen ist in Höhe der steuerlichen Vorteile einzubeziehen, das heißt entweder nach der sogenannten 1%-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode.
Ist das Bruttoeinkommen ermittelt, sind davon die Steuern, Sozialabgaben und zum Teil die Altersvorsorgeaufwendungen abzuziehen. Das sich daraus ergebende Nettoeinkommen ist um grundsätzlich 5% berufsbedingte Aufwendungen sowie ggf. vorhandene berücksichtigungsfähige Schulden zu bereinigen. Ist dies geschehen und sind sonstige Besonderheiten sowie etwaige weitere Einkünfte aus anderen Einkommensarten berücksichtigt, lässt sich das monatliche Einkommen bestimmen, das für den Unterhalt zur Verfügung steht.
Ist der Pflichtige selbstständig, sind für die Bestimmung seines unterhaltsrelevanten Einkommens seine Bilanzen bzw. Einnahmen-/Überschussrechnungen und Steuerbescheide der letzten drei Jahre maßgeblich. Steuerliche Abschreibungen sind dabei in den meisten Fällen für das unterhaltsrechtliche Einkommen nicht zu berücksichtigen. Ebenso wird das Einkommen nicht um berufsbedingte Aufwendungen bereinigt, da diese Aufwendungen bereits bei den Betriebsausgaben berücksichtigt sind. Dagegen sind berücksichtigungsfähige Schulden, die etwa aus der Ehe stammen, in Abzug zu bringen. Daraus und aus etwaigen anderen Einkommensarten lässt sich das monatliche Einkommen des Selbstständigen ermitteln.
Ist das Einkommen des Pflichtigen ermittelt, ist zu prüfen, ob er leistungsfähig ist. Hierzu sollten Sie darüber informiert sein, dass dem Pflichtigen zur Sicherung seines eigenen Lebensbedarfs ein unantastbares Existenzminimum (Eigenbedarf) verbleiben muss. Dieser Eigenbedarf steht für die Unterhaltszahlung nicht zur Verfügung, damit der Pflichtige nicht selber bedürftig wird. Im Einzelnen darf der Pflichtige nach den Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle monatlich folgende Netto-Beträge behalten:
Expertentipp: Gegenüber seinen minderjährigen Kindern hat der Unterhaltspflichtige jedoch eine gesteigerte Erwerbspflicht. Er muss nach allen Kräften dafür sorgen, dass der Mindestunterhalt sichergestellt ist. Dazu ist notfalls die Aufnahme eines zusätzlichen Mini-Jobs oder der Wechsel auf eine besser bezahlte Arbeitsstelle zugunsten der Unterhaltszahlung erforderlich.
Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.
Im deutschen Unterhaltsrecht gilt das sogenannte Rangstufenprinzip. Danach sind die Barunterhaltsansprüche der Berechtigten auf einem oberen Rang vorrangig gegenüber den Ansprüchen der jeweils nachfolgenden Ränge. Die erhebliche praktische Konsequenz daraus ist, dass bei geringer Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sein Einkommen nur zur Abdeckung der Unterhaltsansprüche auf dem oberen Rang bzw. den oberen Rängen ausreicht, während die Berechtigten auf dem nachfolgenden Rang nur einen Teilbetrag an Unterhalt erhalten oder leer ausgehen. Geregelt sind die Rangstufen in § 1609 BGB. Danach befinden sich minderjährige, unverheiratete Kinder und die ihnen gleich gestellten privilegierten volljährigen Kinder auf dem obersten und ersten Rang, während alle anderen Unterhaltsansprüche nachgehen. Damit soll sichergestellt werden, dass minderjährige und volljährige privilegierte Kinder möglichst den vollen Unterhalt erhalten.
Das Unterhaltsrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit. Die Bedürftigkeit sagt aus, ob jemand überhaupt berechtigt ist, Unterhaltszahlungen zu erhalten und wenn ja wie viel. Für verschiedene Unterhaltstypen bestehen verschiedene Voraussetzungen, die immer von der finanziellen Lage der beantragenden Person abhängig sind. Die Leistungsfähigkeit hingegen betitelt, wie viel die unterhaltspflichtige Person zu zahlen imstande ist. Die Leistungsfähigkeit ist logischerweise ebenfalls von der finanziellen Lage der Person abhängig: Wer nur mit Ach und Krach seinen eigenen Lebensunterhalt finanzieren kann, sollte nicht noch zusätzlich mit Unterhaltszahlungen belastet werden, maßgeblich ist hierbei der sogenannte Eigenbedarf oder Selbstbehalt, der bestimmt, wie viel Geld Unterhaltspflichtigen zur Selbstfinanzierung zusteht. Eine Ausnahme bildet hierbei der Kindesunterhalt, bei dem Unterhaltspflichtige stärker dazu angehalten sind, alles zumutbare zu tun, um für das Auskommen (minderjähriger) Kinder aufzukommen.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion