Ist Ihr Ehepartner oder Ihre Ehepartnerin behindert oder gar schwer behindert und somit nach der Scheidung außerstande, erwerbstätig zu sein und eigenes Geld zu verdienen, hat er/sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Da die Charakterisierung als „behindert“ relativ ist, kommt es auf die Art der Behinderung sowie deren Ursache und Ausmaß an.
Tipp 1: Lassen Sie die Behinderung amtlich feststellen
Fordert Ihr behinderter Ex-Partner nach der Scheidung Unterhalt, kommt es auf die Art der Behinderung und deren Ausmaß an. Die amtliche Anerkennung der Behinderung in einem Feststellungsbescheid ist ein Indiz, um Unterhalt zu fordern oder Unterhalt zu versagen, einzuschränken oder zeitlich zu befristen.
Tipp 2: Kein garantierter Unterhaltsanspruch
Soweit der Partner trotz einer Behinderung eine angemessene und zumutbare Tätigkeit ausüben kann, kann sich der Unterhaltsanspruch nach der Scheidung als zweifelhaft erweisen.
Tipp 3: Trat die Behinderung nach der Scheidung auf?
Nicht jede nach der Scheidung auftretende Behinderung begründet Unterhaltsansprüche. Maßgebend ist, dass der Unterhaltsanspruch zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt bestand oder eine zur Behinderung führende Erkrankung zumindest latent vorhanden war.
Der Unterhalt behinderter Partner erweist sich in der Praxis oft deshalb als Streitfrage, weil unklar ist, ob die Behinderung wirklich so schwerwiegend ist, dass der behinderte Partner aufgrund seiner körperlichen oder geistigen Schwäche nicht arbeiten kann und ihm/ihr eine Erwerbstätigkeit auch nicht zuzumuten ist. Ein sicheres Indiz ist, wenn der Partner einen Schwerbehindertenausweis besitzt und die Frage seiner Behinderung bereits Gegenstand behördlicher Feststellungen war.
Vom Grundsatz her sind geschiedene Ehepartner nach der Scheidung verpflichtet, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen. Geschiedene Ehepartner können nur noch in Ausnahmefällen, die im Gesetz ausdrücklich beschieden sind, nachehelichen Unterhalt einfordern. Einer dieser Unterhaltstatbestände beschreibt den Anspruch auf „Unterhalt wegen Krankheit und Gebrechlichkeit“ (§ 1572 BGB).
Danach kann der geschiedene Ehegatte nach der Scheidung Unterhalt verlangen, wenn er/sie so krank, gebrechlich oder eben behindert ist, dass er nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Beurteilung, ob der Partner wirklich so krank oder gebrechlich oder eben behindert ist, dass ihm/ihr keine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, erfordert in der Praxis regelmäßig die Stellungnahme ärztlicher Sachverständiger.
Die gesetzliche Titulierung „Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen“ ist etwas missverständlich, da das Gesetz neben Krankheit und Gebrechen auch die Schwächen der körperlichen oder geistigen Kräfte als Grund bezeichnet, Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit zu fordern (§ 1572 BGB).
Auch wenn der Partner oder die Partnerin behindert ist, kommt es immer noch darauf an, ob eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann und ob ihm/ihr eine Erwerbstätigkeit in Anbetracht der konkreten Lebenssituation tatsächlich zuzumuten ist. Pauschale Feststellungen sind hier nicht möglich. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall und die Argumentation in der Auseinandersetzung an. Ein gewichtiges Indiz, um die Behinderung und deren Ausmaß festzustellen, sind die Feststellungen des Versorgungsamtes, wenn Ihr Partner bereits einen Schwerbehindertenausweis besitzt.
Ist der Ehepartner behindert oder schwerbehindert, liegt der Behinderung oft bereits eine Erkrankung oder sonstige Gebrechlichkeit zugrunde. Allein die Tatsache, dass Ihr Partner krank oder gebrechlich ist, kann bereits ausreichen, einen Unterhaltsanspruch nach der Scheidung zu begründen. Insoweit kann es dahinstehen, dass Ihr Partner nach der gesetzlichen Definition als behindert anzusehen ist.
Die Behinderung kann auch in einer psychischen Erkrankung bestehen, so dass auch selbstverschuldete Süchte wie Alkohol-, Drogen-, Medikamenten- und Magersucht in Betracht kommen. Auch Übergewichtigkeit kann insoweit als Krankheit in Betracht kommen. Allerdings muss sich der betroffene Partner dann auch ärztlich behandeln lassen und sich den entsprechenden ärztlichen Maßnahmen unterziehen. Vor allem bei psychischen Krankheiten besteht die Pflicht, entsprechende Therapien anzunehmen und nach ihrer Aufnahme nicht wieder abzubrechen.
Wenn der Partner also allein unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der damit verbundenen Einschränkungen bei der Arbeitsplatzsuche und zusätzlich unter Berücksichtigung der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Vielzahl von jüngeren Mitbewerbern keine Chance hat, einen Arbeitsplatz zu finden, dürfte er/sie zweifelsfrei einen Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung haben.
Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann sich auch aus der Rollenverteilung während der Ehe ergeben. Vielleicht hat sich Ihr Partner oder Ihre Partnerin aufgrund der Abreden in der Ehe aus dem Arbeitsleben zurückgezogen und sich vornehmlich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder gekümmert. Hat er/sie dann entsprechende Umschulungen unterlassen, die es ihm/ihr auch mit einem hohen Grad der Behinderung möglich gemacht hätten, eventuell für den Lebensunterhalt selbst zu sorgen, wäre der Unterhaltsanspruch wegen der dadurch eingetretenen ehebedingten Nachteile gut begründet.
Die Frage, wann ein Mensch behindert ist, ist gesetzlich einigermaßen definiert. Nach § 2 SGB IX gilt ein Mensch behindert, „wenn seine körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seine seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§2 Abs.I SGB IX). Daher kann in den meisten Fällen, frühestens sechs Monate nach Eintritt der Erkrankung, für die verbleibende Funktionsbeeinträchtigung ein Grad der Behinderung (GdB) und die entsprechenden Merkzeichen festgestellt werden.
Als schwerbehindert gelten Personen, wenn Sie einen anerkannten GdB von mindestens 50 % haben (§2 Abs. 2 SGB IX). Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 %, aber wenigstens 30 % wenn Sie infolge ihrer Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (§2 Abs. III SGB IX). Sie gelten als sogenannte „gleichgestellte behinderte Menschen“. Die Beurteilung des Grades der Behinderung richtet sich nach den Maßstäben, die sich aus § 30 Abs. I BVG (Bundesversorgungsgesetz), der Verwaltungsvorschrift hierzu und der Versorgungsmedizin- Verordnung ergeben.
Ist Ihr Partner oder Ihre Partnerin also behindert oder schwerbehindert, kann er/sie bei der zuständigen Kommunalverwaltung oder beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Das Merkzeichen „G“ bedeutet gehbehindert, „aG“ außergewöhnlich gehbehindert, „H“ = hilflos, „Bl“ = blind und „Gl“ gehörlos.
Außergewöhnlich gehbehindert ist, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Dabei handelt es sich meist um Menschen mit Querschnittslähmung oder Amputation von Gliedmaßen. Auch Erkrankungen der inneren Organe (z.B. schwere Herzerkrankung oder Erkrankung der Atmungsorgane) können die Anerkennung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung begründen. Hilflos ist, wer infolge seiner Behinderung zur täglichen Sicherung seiner persönlichen Existenz in erheblichen Umfang dauernd fremder Hilfe bedarf.
Beantragt Ihr Ex-Partner, seine Behinderung oder seine Schwerbehinderung anzuerkennen, prüft das Versorgungsamt, indem es bei den bisher behandelnden Ärzten, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen Berichte anfordert, die Auskunft über Art und Schwere der Behinderung geben. Nach Abschluss der ärztlichen Begutachtung erteilt das Versorgungsamt einen Feststellungsbescheid, wenn der GdB mindestens 20 % beträgt. Im Bescheid ist die Höhe des GdB, die genaue Bezeichnung der Behinderung und die zuerkannten Merkzeichen bezeichnet.
Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn Ihr bedürftiger Ehepartner aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann. Der dafür maßgebliche Zeitpunkt wird als Einsatzzeitpunkt bezeichnet.
Die Behinderung muss also bestehen:
Die Behinderung oder die Erkrankung, die zur Behinderung führt, muss also im zeitlichen Zusammenhang mit Ihrer Ehe bestehen. Die Behinderung oder die Grunderkrankung braucht aber nicht während der Ehe hervorgerufen worden zu sein. Die Behinderung kann auch bereits bei Ihrer Eheschließung bestanden haben. Entscheidend ist, dass die Behinderung und die auf ihr beruhende fehlende Möglichkeit, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, bei der Scheidung, der Beendigung einer Kinderbetreuung, der Beendigung der Ausbildung oder Fortbildung oder des Fehlens einer angemessenen Erwerbstätigkeit besteht.
Grundsätzlich kann es ausreichen, dass eine Krankheit im Einsatzzeitpunkt latent vorhanden war. Dies hat die Rechtsprechung jedenfalls bei einer latenten Depression bejaht, auch wenn die Krankheit erst später ausgebrochen ist. Allerdings soll insoweit zumindest noch ein angemessener zeitlicher Zusammenhang erforderlich sein. Zeigt sich die Erkrankung erst vier Jahre nach der Scheidung, besteht keine Unterhaltspflicht (BGH NJW 1982,40). Sie muss also zumindest im nahen zeitlichen Zusammenhang mit einem der benannten Einsatzzeitpunkte ausbrechen (BGH FamRZ 2001, 1291). Tritt sie zu einem Einsatzzeitpunkt auf, der erst Jahre nach der Scheidung liegt, kommt zumindest eine Befristung in Betracht (OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 342: Erkrankung 12 Jahre nach Scheidung).
Da die Eigenverantwortung nach der Scheidung die Regel und der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt die Ausnahme ist, kommt es immer darauf an, ob Ihr behinderter Ex-Partner in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und inwieweit ihm/ihr eine Erwerbstätigkeit tatsächlich zuzumuten ist. Insoweit besteht kein Anspruch, wenn ein Ehepartner zwar krankheitsbedingt bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben kann, ihm/ihr aber andere Erwerbsmöglichkeiten offenstehen, die in seiner Lebenssituation zuzumuten sind (BGH NJW 1991,224).
Insoweit bestimmt § 1574 BGB, dass es „dem geschiedenen Ehepartner obliegt, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben“.
Als angemessen gilt jede Erwerbstätigkeit, die der „Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht“. Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen (§ 1574 Abs. II BGB).
Praxisbeispiel: Ihr Ex-Ehepartner war Sachbearbeiter bei einer Versicherung. Er/sie musste dazu regelmäßig Außentermine wahrnehmen. Infolge eines Autounfalls ist Ihr Partner schwerbehindert. Da er/sie jedoch relativ problemlos sitzende Tätigkeiten verrichten kann, wäre es ihm/ihr durchaus zuzumuten, Tätigkeiten auszuüben, bei denen keine Außentermine mehr anfallen. Ihr Ex kann also nicht allein deshalb Unterhalt fordern, weil er/sie nunmehr schwerbehindert ist.
Fordert Ihr behinderter Ex-Ehepartner nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung, muss er/sie die Krankheit oder die Behinderung darlegen und nachweisen. Der pauschale Vortrag, der Partner sei aufgrund der Behinderung nicht erwerbsfähig, genügt im Regelfall nicht.
Zum Nachweis ist mindestens ein Krankheitsverlaufsbericht sowie ein detailliertes ärztliches Attest eines fachlich spezialisierten Arztes vorzulegen. Gegebenenfalls ist ein medizinisches Gutachten eines Amtsarztes, der über die nötige Sachkunde verfügt, einzuholen. Kann der Partner, der Unterhalt begehrt, trotz seiner Behinderung eine leichtere Arbeit verrichten, ist diese zuzumuten. Ein dadurch erzielbares Einkommen ist auf den rechnerisch bestehenden Unterhaltsanspruch anzurechnen. Verweigert der Partner trotz einer zumutbaren Erwerbstätigkeit die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, ist insoweit ein theoretisch erzielbares Einkommen (fiktives Einkommen) anzurechnen.
Der Unterhaltsanspruch wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit beruht auf der ehelichen Solidarität, die auch nach der Trennung und trotz der Scheidung fortbesteht. Da auch die ehelichen Solidarität Grenzen hat, bestimmt das Gesetz, dass Unterhaltsansprüche zu beschränken, herabzusetzen oder zeitlich zu befristen sind, wenn es ungerechtfertigt erscheint, den an sich unterhaltspflichtigen Ehepartner an seiner Unterhaltspflicht bedingungslos festzuhalten (§ 1579 BGB).
So kann der Unterhaltsanspruch zweifelhaft sein, wenn der unterhaltsberechtigte Ehepartner seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Insbesondere bei gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten (z.B. Rauchen, Extremsportarten, Alkoholsucht) kommt in Betracht, dass Sie für diesen ungesunden oder unverantwortlichen Lebenswandel nicht unbedingt einstehen müssen. Dann sollte es möglich sein, den Unterhaltsanspruch zeitlich zu befristen, der Höhe nach zu begrenzen oder in extremen Fällen auch vollständig auszuschließen.
Zahlen Sie als Elternteil Kindesunterhalt, ist der Kindesunterhalt vorrangig zu bedienen. Erst danach kommt der nacheheliche Unterhalt in Betracht. Voraussetzung ist insgesamt, dass Ihr eigener Selbstbehalt (1.370 EUR bei Erwerbstätigkeit, andernfalls 1.120 EUR) gewahrt bleibt. Reicht Ihr Einkommen nicht aus, auch den nachehelichen Unterhalt zu bedienen, geht Ihr behinderter Ex-Ehepartner leer aus.
Gut zu wissen: Diese Situation empfinden Ehepartner oft als ungerecht. So gab es im Jahr 2010 eine Online-Petition zur Gleichstellung schwerbehinderter Ehepartner mit minderjährigen Kindern. Mit der Petition wurde der Deutsche Bundestag aufgefordert, schwerbehinderte Person mit minderjährigen Kindern gleichzustellen. Konsequenz wäre, dass das verfügbare Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehepartners/Elternteils zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem unterhaltsberechtigten Ex-Ehepartner aufgeteilt werden müsste. Der Gesetzgeber hat hierauf jedoch nicht reagiert.
Der Unterhalt behinderter Partner ist ein schwieriges Terrain. Hier prallen regelmäßig die Interessen der Partner aufeinander. Die Verhandlungen über nachehelichen Unterhalt bestimmen sich einerseits nach den Grundsätzen, die das Gesetz vorgibt, andererseits nach der Argumentation und den Voraussetzungen, mit denen ein Partner nach der Scheidung Unterhalt einfordert oder Unterhalt ablehnt.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion