Wie alle anderen rechtlichen Ansprüche unterliegen auch Unterhaltsansprüche der Verjährung und Verwirkung. Ist diese eingetreten, kann der Anspruch auf Unterhalt nicht mehr durchgesetzt werden – vorausgesetzt, der Pflichtige beruft sich auf die Einrede der Unterhaltsverjährung und Verwirkung von Unterhalt. Geschieht das nicht, etwa weil dem Pflichtigen der Verjährungs-oder Verwirkungseintritt nicht bewusst war, muss er den Unterhalt zahlen. Grund genug also, sich mit den Verjährungs- und Verwirkungsvorschriften näher zu befassen, um entweder die Verjährung oder Verwirkung erst gar nicht eintreten zu lassen oder um sich auf diese berufen zu können. Was Sie dazu wissen sollten, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Zur Unterhaltsverjährung sollten Sie wissen, dass der Schuldner die Leistung bzw. der Pflichtige den Unterhalt verweigern kann, wenn eine bestimmte gesetzlich festgelegte Verjährungsfrist abgelaufen ist. Dabei ändert die abgelaufene Frist nichts daran, dass die Forderung als solche weiterhin gegen den Schuldner besteht. Die Forderung kann aber nicht mehr durchgesetzt werden, wenn sich der Schuldner ausdrücklich auf den Verjährungseintritt beruft. Ist das der Fall, muss eine Zahlungs- bzw. Unterhaltsklage vom Gericht abgewiesen werden. Ebenso kann aus einem sogenannten Titel (etwa ein obsiegendes Urteil oder ein vor Gericht geschlossener Vergleich) nicht mehr vollstreckt werden, wenn der Schuldner bzw. Pflichtige eine eingetretene Verjährung geltend macht. Dabei muss das Gericht den Verjährungseintritt nicht vom Amts wegen beachten. Erforderlich ist vielmehr, dass die Verjährungseinrede ausdrücklich vom Schuldner bzw. Unterhaltspflichtigen erhoben wird.
Hat der Schuldner die Leistung bzw. der Pflichtige den Unterhalt erbracht und wusste nichts vom Eintritt der Unterhaltsverjährung, kann er deswegen seine Zahlung nicht zurückfordern.
Da die Forderung als solche trotzdem bestehen bleibt, darf der Schuldner bzw. Pflichtige – trotz Verjährungseintritt – unter bestimmten Voraussetzungen mit der (verjährten) Forderung gegenüber seinen eigenen Ansprüchen gegen den Schuldner aufrechnen oder deswegen ein Zurückbehaltungsrecht an Dingen ausüben, deren Eigentümer der Schuldner ist.
Unterhaltsansprüche unterliegen grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Dabei beginnt die Frist am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Besteht ein sogenannter Unterhaltstitel (Vollstreckungstitel) etwa aufgrund eines Vollstreckungsbescheids, Urteils, gerichtlichen Vergleichs oder einer notariellen Urkunde, aber auch einer sogenannten Jugendamtsurkunde, in der sich der Vater zur Zahlung des Kindesunterhalts verpflichtet, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Die Frist beginnt mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung oder bei Urkunden mit der Niederschrift.
Expertentipp: Bei einem Unterhaltstitel sollten Sie jedoch unbedingt folgende Besonderheit beachten: Während die bisher fälligen Unterhaltsansprüche erst nach 30 Jahren verjähren, bleibt es für künftige Ansprüche nach § 197 Abs. 2 BGB grundsätzlich bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
Die Ehegatten Clara und Mark haben sich scheiden lassen. Clara möchte von Mark (nachehelichen) Betreuungsunterhalt, weil sie sich um das gemeinsame einjährige Kind kümmert. Daher hat sie Mark im Oktober 2015 rechtswirksam zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Im August 2016 wird endlich die Auskunft erteilt, Unterhaltszahlungen erfolgten bisher nicht.
Dies hat zur Folge, dass ab dem Monat des Auskunftsverlangens die Möglichkeit besteht, Unterhalt zu fordern. Das ist Oktober 2015. Ab dem Ende des Jahres 2015 beginnt daher die dreijährige Verjährungsfrist, so dass der Unterhaltsanspruch der Clara mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt ist. Ab dem 01.01.2019 kann Clara daher keinen Unterhalt mehr durchsetzen.
Nach ihrer Scheidung von Mark erhielt Clara durch rechtskräftiges Urteil des Familiengerichts vom 16.08.2016 nachehelichen Unterhalt zugesprochen. Der Tenor (Urteilsformel) lautet sinngemäß, dass Mark an Clara „insgesamt [… ]Euro rückständigen Unterhalt zu zahlen hat und künftig ab dem 01.09.2016 monatlichen Unterhalt in Höhe von […] Euro leisten muss“. Mark zahlt nicht.
Dies hat zur Folge, dass der rückständige Unterhalt in 30 Jahren, also am 15.08.2046, verjährt . Für den künftigen Unterhalt ab dem 01.09.2016 gilt jedoch die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist, die am Ende des Jahres 2016 zu laufen beginnt.
Die Unterhaltsverjährung kann gehemmt sein. Hemmung bedeutet, dass der Zeitraum in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, in dem die Verjährung gehemmt ist.
Zunächst ist an eine Verjährungshemmung aus familiären oder ähnlichen Gründen nach § 207 BGB zu denken. Hier gelten speziell bei Unterhaltsansprüchen von Kindern besondere Regeln. Denn die Verjährung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt. Anders als minderjährige Kinder müssen volljährige Kinder daher beachten, dass die Hemmung wegen rückständiger Unterhaltsansprüche der Eltern bzw. eines Elternteils mit dem 21. Geburtstag des Kindes endet.
Ebenso wird der Anspruch auf Trennungsunterhalt solange gehemmt, wie die Ehe besteht.
Darüber hinaus ist eine Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung möglich. Zu nennen sind insbesondere
Diese Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder einer anderen Beendigung des eingeleiteten Gerichtsverfahrens.
Expertentipp: Bei der Hemmung wird also der Lauf der Verjährungsfrist vorübergehend ausgesetzt. Dies bedeutet, dass eine einmal in Gang gesetzte oder noch nicht begonnene Verjährungsfrist während der Hemmung solange ruht, bis der Grund für die Hemmung weggefallen ist. Danach läuft die Verjährungsfrist weiter. Davon zu trennen ist der Fall, dass die Verjährungsfrist von neuem von vorne beginnt.
Die Ehegatten Clara und Mark haben sich getrennt. Clara hatte für das erste Trennungsjahr Unterhalt angemahnt, worauf Mark sich sofort vier Jahre mit unbekannter Anschrift ins Ausland abgesetzt hatte. Inzwischen ist Mark wieder in Deutschland, der Scheidungsantrag von Clara wurde ihm zugestellt.
Dies hat zur Folge, dass die Verjährung des Anspruchs bis zur rechtskräftigen Scheidung gehemmt ist. Da die Ehe noch fortbesteht, läuft die regelmäßige dreijährige Verjährungsfirst für den Anspruch auf Trennungsunterhalt erst nach der Scheidung weiter.
Die Verjährungsfrist beginnt unter anderem erneut, wenn eine gerichtliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. Für die Praxis ist dies von erheblicher Bedeutung, denn besteht ein Unterhaltstitel, unterliegen die künftigen Unterhaltsansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Wird aber kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Vollstreckungsversuch vorgenommen oder beantragt, beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren von vorne. Durch die Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme wird also der Verjährungseintritt erfolgreich verhindert – vorausgesetzt, der Vollstreckungsversuch wird auch tatsächlich durchgeführt.
Expertentipp: Ist die Verjährung des Unterhaltsanspruchs eingetreten, gilt das nur für den rückständigen Unterhalt. Es bleibt dem Berechtigten offen, den künftigen Unterhalt sofort erneut geltend zu machen.
Nach der Scheidung hat Clara gegen Mark am 01.06.2017 einen rechtskräftigen Unterhaltstitel auf künftige Zahlung von nachehelichen Unterhalt erwirkt. Mark zahlt jedoch nicht, einen Vollstreckungsversuch aus dem Unterhaltstitel hat Clara bisher noch nicht veranlasst.
Dies hat zur Folge, dass die regelmäßige Verjährungsfrist für die künftigen Unterhaltszahlungen trotz der Titulierung drei Jahre beträgt. Dabei beginnt der Lauf der Verjährungsfrist Ende 2017 und endet am 31.12.2020. Um eine Verjährung des rückständigen Unterhalts zu verhindern, muss Clara vor dem 31.12.2020 einen Vollstreckungsversuch einleiten. Ist das geschehen, beginnt die Verjährung neu zu laufen, also ab Ende 2020. Die Verjährung des Unterhaltsrückstandes tritt dann erst am 31.12.2023 ein. Auch dann kann durch einen erneuten Vollstreckungsversuch ein Neubeginn der Verjährung herbeigeführt werden.
Kann oder will der Unterhaltspflichtige nicht zahlen, hat der Unterhaltsberechtigte die Möglichkeit, sich Hilfe „vom Amt“ zu holen. Für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zahlt auf Antrag die Unterhaltsvorschusskasse. In all diesen Fällen gehen die Unterhaltsansprüche auf den Leistungsträger über, was dem Pflichtigen schriftlich mitzuteilen ist. Der Pflichtige darf dann nur noch an den Leistungsträger zahlen, erbringt der Pflichtige trotzdem Zahlungen an den Berechtigten, wird ihm das vom Leistungsträger nicht angerechnet.
Die Frage ist dann, wann die auf den Leistungsträger übergegangenen Ansprüche verjähren. Dies ist innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren der Fall. Insbesondere geht die Verjährungshemmung aus familiären oder ähnlichen Gründen nach § 207 BGB nicht auf den Leistungsträger über, wonach die Verjährung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes oder beim Trennungsunterhalt während der bestehenden Ehe gehemmt ist.
Wichtig für Sie ist, dass die Unterhaltsverjährung nicht ohne die Verwirkung des Unterhalts betrachtet werden kann. Die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs ist zum einen durch illoyales Verhalten gegenüber dem Pflichtigen und zum anderen durch Untätigkeit des Berechtigten möglich. Untätigkeit bedeutet hier, dass der Berechtigte seinen Unterhaltsanspruch nicht verfolgt, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Pflichtige aufgrund des Verhaltens des Berechtigten nicht (mehr) ernsthaft damit rechnen muss, für den Ausgleich von rückständigem Unterhalt beansprucht zu werden. Ist die Verwirkung eingetreten, kann der rückständige Unterhalt nicht mehr durchgesetzt werden.
Die Rechtsprechung fordert vom Berechtigten, dass er sich zügig um seinen Unterhalt kümmert. Von einem Berechtigten sei eher als von anderen Gläubigern zu erwarten, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs bemühe. Andernfalls könnten die Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Zudem seien die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse nach längerer Zeit schwierig aufzuklären. Diesen Gründen müsse ein so hohes Gewicht beigemessen werden, dass etwas mehr als ein Jahr zurückliegende Unterhaltsrückstände verwirkt sein könnten. Dies gelte auch für titulierte Ansprüche (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.12.2003, Az.: XII ZR 155/01).
Der Berechtigte muss also zügig die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche in Angriff nehmen. Geschieht dies nicht und bleibt er etwas länger als ein Jahr untätig, kann der Unterhaltsanspruch verwirkt sein – obwohl die wesentlich längere regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren noch gar nicht abgelaufen ist.
Clara möchte nach der Scheidung gegen Mark nachehelichen Unterhalt geltend machen. Daher hat sie von Mark Auskunft über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangt. Mark hat die Auskünfte sofort bereitwillig erteilt und auch angeboten, dass er bis zur Bezifferung des Unterhaltsanspruchs bereits einen monatlichen Betrag zahlt, der später verrechnet wird. Dies hat Clara jedoch abgelehnt, da sie „eigentlich keinen Unterhalt bräuchte“. Auch schriftliche Anfragen des Mark, ob Clara Geld benötige, hat diese nicht beantwortet. Nach einem Jahr nimmt Clara eine gut dotierte Arbeitsstelle an, so dass ihr Unterhaltsanspruch gegen Mark entfällt. Nach weiteren 1 1/2 Jahren möchte Clara nun doch noch den Unterhalt für das Jahr nach der Scheidung bis zum Antritt ihrer Beschäftigung einfordern.
Dies hat zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch verwirkt ist, obwohl er noch nicht verjährt ist. Clara hätte aufgrund der Auskunftserteilung von Mark ihren Unterhalt sofort beziffern und fordern können. Dies ist aber nicht geschehen, vielmehr ist Clara weitaus länger als ein Jahr untätig geblieben. Zudem hat sie durch ihr Verhalten bei Mark den Eindruck erweckt, dass sie keinen Unterhalt benötigt. Ihre jetzige Unterhaltsforderung steht dazu im Gegensatz und verstößt gegen den Grundsatz des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens.
Sind die Ansprüche aus einem Unterhaltstitel verjährt oder verwirkt, muss der Berechtigte den Titel an den Pflichtigen herausgeben. Denn solange der Berechtigte darüber verfügt, kann er ohne weiteres daraus die Zwangsvollstreckung veranlassen. Wegen des Schuldnerschutzes bzw. Schutzes des Unterhaltspflichtigen ist der Titel daher herauszugeben, wenn die Ansprüche nicht mehr bestehen.
Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.
Tritt eine Verjährung oder Verwirkung ein, können die betroffenen Unterhaltsansprüche nicht mehr durchgesetzt werden und die entsprechenden Unterhaltstitel werden an den Schuldner ausgehändigt. Es gibt allerdings Mittel und Wege, eine Verjährung zu verhindern oder zumindest zu hemmen. Da diese Voraussetzungen allerdings unter Umständen zu komplexen Verhältnissen führen, empfiehlt es sich so bald wie möglich in Aktion zu treten, um seine Unterhaltsansprüche geltend zu machen.
Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion