Alle Ratgeber
 

Rück­wir­ken­der Un­ter­halt

Bild: Rückwirkender Unterhalt

Gibt es Un­ter­halt für die Ver­gan­gen­heit?

Rückwirkender Unterhalt bedeutet begrifflich, dass eine unterhaltsberechtigte Person eine unterhaltspflichtige Person auffordert, für die Vergangenheit Unterhalt zu bezahlen. Mit dem Verlangen, es möge rückwirkender Unterhalt bezahlt werden, sind eine Reihe von Problemen verbunden. Das Gesetz regelt die Situation, indem es die Gegebenheiten abwägt.

Das Wich­tigs­te

  • Rückwirkender Unterhalt ist Unterhalt, der für die Vergangenheit gefordert wird.
  • Nach dem Gesetz kann in der Regel kein rückwirkender Unterhalt verlangt werden. Das Gesetz erlaubt aber Ausnahmen, in denen rückwirkender Unterhalt in Betracht kommt.
  • Wesentliche Ausnahmen bestehen darin, dass Sie den Unterhaltspflichtigen auffordern, zwecks Unterhaltszahlung Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen außerstande waren, Ihren Unterhaltsanspruch geltend zu machen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt muss der Unterhaltspflichtige dann rückwirkend Unterhalt zahlen.
  • Im Hinblick auf Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt bestehen Unterschiede.

Um wel­che In­ter­es­sen geht es, wenn rück­wir­ken­der Un­ter­halt ver­langt wird?

Rückwirkender Unterhalt ist aus mehreren Gründen problematisch. Wer für die Vergangenheit rückwirkend Unterhalt fordert, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er seinen Unterhalt nicht bereits früher eingefordert hat. Das Unterhaltsrecht geht davon aus, dass eine Person aufgrund ihrer Lebensverhältnisse unterhaltsbedürftig ist und aus diesem Anlass umgehend ihren Unterhaltsanspruch geltend macht. Wenn der Unterhalt nicht geltend gemacht wird, besteht offensichtlich keine unmittelbare Bedürftigkeit. Wird dann rückwirkender Unterhalt verlangt, erscheint die Forderung widersprüchlich.

Umgekehrt ist das Interesse der unterhaltspflichtigen Person zu berücksichtigen. Wird rückwirkender Unterhalt verlangt, sieht sich der Unterhaltspflichtige möglicherweise hohen Nachforderungen ausgesetzt, die seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen und seine Lebensplanung zunichtemachen können. Rückwirkender Unterhalt würde zudem voraussetzen, dass auch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen in der Vergangenheit festgestellt werden müssten. Da dies oft nur schwierig möglich ist, erweist sich rückwirkender Unterhalt als problematisch und würde zwangsläufig Beweisschwierigkeiten und ein hohes Streitpotenzial verursachen.

Mit wel­cher Prä­mis­se be­ur­teilt das Ge­setz Un­ter­halt für die Ver­gan­gen­heit?

Da rückwirkender Unterhalt widersprüchliche Interessen betrifft, bestimmt das Gesetz, dass für die Vergangenheit grundsätzlich kein Unterhalt eingefordert werden kann. Dies ist die Regel. Da das Leben immer Ausnahmen fordert, erkennt auch das Gesetz in § 1613 BGB Ausnahmefälle an.

Wel­che Aus­nah­me­fäl­le recht­fer­ti­gen rück­wir­ken­den Un­ter­halt?

Es versteht sich, dass Unterhaltsansprüche ausdrücklich geltend gemacht werden müssen. Sie entstehen nicht automatisch. Unterhalt kann daher eingefordert werden, einmal ab dem Zeitpunkt, ab dem der Anspruch geltend gemacht wird und zum anderen auch im Ausnahmefall für die Vergangenheit. Rückwirkender Unterhalt kommt also in Betracht:

  • wenn der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen aufgefordert hat, Unterhalt zu zahlen und deshalb über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Dann kann rückwirkender Unterhalt ab dem Monat verlangt werden, zu dem Auskunft verlangt wurde.

  • wenn der Unterhaltspflichtige in Verzug gesetzt wurde. Sie setzen den Unterhaltspflichtigen in Verzug, indem Sie ihn mahnen. Mahnen bedeutet, dass Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Geldbetrag fordern und zur Zahlung eine Frist setzen. Es kommt nicht darauf an, ob Sie den Unterhaltsbedarf korrekt berechnen. Alternativ zur Mahnung kommt auch eine Unterhaltsvereinbarung in Betracht. Zu diesem Zweck vereinbaren Sie mit dem Unterhaltspflichtigen, dass er einen bestimmten Betrag zu zahlen hat. Zahlt er diesen Betrag dann nicht pflichtgemäß, kommt er gleichfalls in Verzug. 
  • wenn Sie den Unterhaltspflichtigen auf Unterhalt verklagen. Dann steht Ihnen rückwirkender Kindesunterhalt ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage zu. Maßgebend ist der erste Tag des Monats der Klagezustellung.

Hierzu zwei Beispiele:

  • Sie fordern den Vater Ihres Kindes am 3. April auf, zum Zwecke der Unterhaltszahlung Auskunft zu erteilen, was er verdient. Der Vater erteilt die Auskünfte aber erst im Oktober. Rückwirkender Unterhalt kann also dann rückwirkend ab dem 3. April verlangt werden.
  • Sie fordern den Vater Ihres Kindes am 3. April auf, Ihrem gemeinsamen, drei Jahre alten Sohn nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle bis 30. April 459 EUR Kindesunterhalt zu zahlen. Sie unterstellen ein Nettoeinkommen des Vaters von 1.901 - 2.300 EUR. Stellt sich heraus, dass der Vater nur 2.150 EUR verdient und nach der Düsseldorfer Tabelle lediglich 437  EUR zahlen muss, ist rückwirkender Unterhalt in Höhe von 437 EUR fällig.

Expertentipp: Wenn Sie den Unterhaltspflichtigen zur Unterhaltszahlung auffordern, müssen Sie nachweisen, dass Sie ihn aufgefordert haben. Da Unterhaltsansprüche komplexe Grundlagen haben, sollten Sie die Zahlungsaufforderung über einen Rechtsanwalt formulieren und zustellen lassen. Erlauben Ihre Einkommensverhältnisse keine hohen Ausgaben, können Sie auch staatliche Beratungshilfe oder für die gerichtliche Auseinandersetzung Verfahrenskostenhilfe beantragen, die dann die Gebühren für Rechtsanwalt und Gericht übernimmt. Möchten Sie ohne Rechtsanwalt auskommen, sollten Sie sich vom Unterhaltspflichtigen schriftlich bestätigen lassen, dass Sie ihn zur Unterhaltszahlung aufgefordert haben. Auch ein Einwurfeinschreiben kann zumindest beweisen, dass der Unterhaltspflichtige einen Briefumschlag, wenn auch unbekannten Inhalts, erhalten hat. Ein Übergabeeinschreiben birgt das Risiko, dass der Unterhaltspflichtige die Zustellung ablehnt und damit Ihre Unterhaltsforderung erst einmal vereitelt.

Gibt es Un­ter­schie­de zwi­schen Kin­des­un­ter­halt und Ehe­gat­ten­un­ter­halt?

Wird rückwirkender Unterhalt verlangt, ist zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt zu unterscheiden. Geht es um Ehegattenunterhalt, bestimmt § 1585b Abs. III BGB, dass nachehelicher Unterhalt höchstens für ein Jahr vor der Einreichung des Scheidungsantrags beim Familiengericht rückwirkend geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sich der unterhaltspflichtige Ex-Partner der Unterhaltsleistung absichtlich entzogen hat. Diesen Umstand müssten Sie allerdings nachweisen können (z.B. unbekannt verzogen).

Geht es um Kindesunterhalt, enthält der dafür maßgebliche § 1613 BGB keine zeitlichen Einschränkungen für die Vergangenheit. In der Praxis bedeutet dies, dass der unterhaltspflichtige Elternteil im ungünstigsten Fall auch über Jahre hinweg Kindesunterhalt nachzahlen muss, wenn er seine Unterhaltszahlungen über diesen Zeitraum hinweg nicht erfüllt hat, obwohl er zur Zahlung aufgefordert wurde.

Gibt es noch wei­te­re Aus­nah­me­fäl­le beim rück­wir­ken­den Un­ter­halt?

Rückwirkender Unterhalt kann ausnahmsweise auch dann verlangt werden, wenn Sie für Ihr Kind keinen Kindesunterhalt fordern konnten, weil Sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert waren, den Kindesunterhalt geltend zu machen. Es handelt sich dabei um die in § 1613 Abs. II Nr. 2 BGB geregelten Ausnahmefälle. Als rechtlicher Grund kommt in Betracht, dass die Vaterschaft des Kindes noch nicht anerkannt war oder noch nicht feststand. Sie können dann ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes rückwirkend Unterhalt verlangen. Als tatsächlicher Grund kommt in Betracht, dass sich der Vater an einem unbekannten Ort, z. B. im Ausland, aufhielt. Da rückwirkender Unterhalt erhebliche Belastungen bedeutet, können Sie Kindesunterhalt nur in Teilbeträgen oder zu einem späteren Zeitpunkt verlangen, wenn die vollständige oder sofortige Zahlung für den Unterhaltspflichtigen eine „unbillige Härte“ bedeuten würde (§ 1613 Abs. III BGB). In Betracht kommt insbesondere eine schwere Erkrankung.

Mus­ter für ei­ne Zah­lungs­auf­for­de­rung für rück­wir­ken­den Un­ter­halt

"Lieber Ex, Du bist unserer gemeinsamen Tochter Maria unterhaltspflichtig. Maria ist jetzt drei Jahre alt. Da du meiner Kenntnis nach 1600 EUR netto verdienst, schuldest du deiner Tochter einen Unterhalt von 369 EUR. Ich habe den Unterhaltsbedarf der Düsseldorfer Tabelle entnommen. Davon ist der hälftige Anteil am Kindergeld in Höhe von 102 EUR abzuziehen und auf den Unterhalt anzurechnen. Du hast also 252 EUR zu zahlen. Ich fordere dich hiermit auf, Kindesunterhalt in Höhe von 252 EUR ab dem heutigen Datum im Voraus zum ersten eines Monats an mich für Maria zu zahlen. Kommst du deiner Unterhaltsverpflichtung nicht nach, werde ich Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen oder den Kindesunterhalt beim Familiengericht einklagen. Schönen Gruß Deine Ex-Maria"

Fa­zit

Da Unterhaltsansprüche und insbesondere rückwirkender Unterhalt immer problematisch sind, sollten Sie so früh wie möglich Unterhalt einfordern. Dies hat den Vorteil, dass die dafür maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen aktuell und damit leichter nachvollziehbar und letztlich beweisbar sind. Jeder Tag, den Sie warten, erhöht das Risiko, dass sich der Unterhaltspflichtige seiner Unterhaltspflicht entzieht.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion

d41967c00fbb43828d17ceb13aec9112

iurFRIEND® ist Ihr Rechtsfreund
für viele Rechtsangelegenheiten.
Wir bieten allen Menschen mit Rechtsproblemen einen kostenlosen Einstieg in die Welt des Rechts:
Ratgeber - Checklisten - Gratis-InfoPakete - Orientierungsgespräche

Frage online stellen

oder

Direkt kostenlos anrufen

0800 34 86 72 3