Der Unterhaltsberechtigte kann auch an die Steuerrückzahlung für den Unterhaltspflichtigen „ran“. Der Weg dorthin ist jedoch nicht ganz einfach. Wir erklären, wie Sie als Unterhaltsberechtigter zu Ihrem Geld kommen oder umgekehrt als Unterhaltspflichtiger unberechtigte Pfändungen abwehren. Wie viel Unterhalt Sie überhaupt zahlen oder bekommen müssen, können Sie bei uns bequem und online ausrechnen lassen. Hier geht es zum Online-Unterhaltsformular.
Zählen Steuerrückzahlungen zum Einkommen?
Hat der Unterhaltspflichtige gegen das Finanzamt Anspruch auf eine Steuerrückzahlung, zählt die Steuererstattung zum unterhaltspflichtigen Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Die Steuererstattung erhöht das verfügbare unterhaltsrelevante Einkommen. Ist der Unterhaltsanspruch nach Maßgabe des Einkommens verbindlich festgestellt, kann aus einem Unterhaltstitel die Vollstreckung unter anderem in den Steuererstattungsanspruch betrieben werden.
Für welches Kalenderjahr wird die Steuerrückzahlung angerechnet?
In der Rechtsprechung war und ist teilweise noch immer streitig, wie eine Steuerrückzahlung beim Einkommen berücksichtigt wird. Damit geht die Frage einher, zu welchem Zeitpunkt eine Pfändung erfolgen kann.
Erstattet das Finanzamt dem Unterhaltspflichtigen zu viel gezahlte Steuern, wird die Steuererstattung in dem Jahr zum Einkommen hinzugerechnet, in dem Sie dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich zufließt („Zuflussprinzip“, BGH FamRZ 1985, 155). Zur Unterhaltsberechnung wird der Erstattungsbetrag auf zwölf Monate umgelegt (BGH FamRZ 2013, 935). Der Erstattungsanspruch ist pfändbar, sobald er begründet ist.
Fallen aufgrund einer verzögerten Abgabe der Steuererklärung oder der verzögerten Sachbearbeitung durch das Finanzamt in einem Jahr zwei Steuerrückzahlungen an, werden diese im Einzelfall auf beide Jahre verteilt. So sollen Einkommensverzerrungen vermieden werden (BGH FamRZ 2022, 1366). Die Steuererstattung für das vorletzte Kalenderjahr wirkt sich insoweit nicht aus, als das unterhaltsrelevante Einkommen nur auf die letzten zwölf Monate berechnet wird. Ungeachtet dessen können für bestehende Unterhaltsansprüche beide Erstattungsansprüche gepfändet werden.
Was ist mit künftigen Steuererstattungen?
Ansprüche auf zukünftige Leistungen unterliegen normalerweise der Pfändung. Im Steuerrecht ist es anders. Zukünftige Steuererstattungsansprüche des Unterhaltspflichtigen sind nicht pfändbar. Der Gesetzgeber hat nämlich für Steuererstattungsansprüche in § 46 Abs. 6 AO eine Ausnahme bestimmt.
Steuererstattungsansprüche sind aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung erst pfändbar, nachdem sie auch entstanden sind. Da die Einkommenssteuern Jahressteuern sind und der Erstattungsanspruch so erst mit dem Abschluss des Steuerjahres entsteht, sind Steuererstattungsansprüche aus einem laufenden Kalenderjahr erst mit dem Beginn des Folgejahres pfändbar.
Ein früher erlassener oder zugestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss geht insoweit ins Leere. Die Pfändungsmaßnahme ist nichtig und braucht vom Finanzamt nicht berücksichtigt zu werden. Die Pfändung muss dann neu ausgebracht werden, sobald der Erstattungsanspruch entstanden ist.
Künftige Rentenansprüche sind pfändbar
Anders als Steuererstattungsansprüche sind künftig entstehende Rentenansprüche pfändbar. Dabei spielt keine Rolle, ob der Unterhaltspflichtige jemals eine Rentenanwartschaft erwirbt oder das Rentenalter erreicht. In der Zukunft entstehende Ansprüche gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind danach pfändbar, sofern die Ansprüche in einem bereits bestehenden Sozialversicherungsverhältnis begründet sind (BGH NJW 2003, 1457).
Was ist, wenn der Unterhaltspflichtige wieder verheiratet ist?
Hat der Unterhaltspflichtige nach der Scheidung wieder geheiratet und wird mit dem neuen Ehepartner gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, ergibt sich die Frage, wie der Erstattungsbetrag aufzuteilen ist. In diesem Fall muss eine Aufteilung des Erstattungsbetrages erfolgen, weil der Erstattungsbetrag dem Unterhaltspflichtigen nur im Hinblick auf sein zu versteuerndes Einkommen zusteht.
Maßstab für den Ausgleich ist die Steuerlast, die sich ergäbe, wenn für jeden Ehegatten fiktiv die Einzelveranlagung durchgeführt werden würde. (BGH FamRZ 2006, 1178). Vor der Aufteilung sind eventuelle Steuerberatungskosten abzusetzen (OLG Hamm FamRZ 1992, 1177).
Ist der Selbstbehalt bei der Pfändung zu beachten? Pfändungsprivileg!
Der Unterhaltspflichtige kann sich nicht ohne Weiteres auf seinen unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt berufen. Dieser beträgt 1.400 € (Stand 1.1.2024). Soweit es um gesetzlich begründete Unterhaltsansprüche wie Kindesunterhalt oder Ehegattenunterhalt geht, gilt zugunsten des Unterhaltsberechtigten das sogenannte Pfändungsprivileg des § 850d Zivilprozessordnung. Danach kann der Unterhaltsberechtigte ungeachtet des Selbstbehalts und der Pfändungsfreibeträge des Unterhaltspflichtigen vollstrecken.
Danach ist dem Unterhaltspflichtigen von seinem Einkommen einschließlich der Steuererstattung so viel Geld zu belassen, dass er damit seinen eigenen Lebensbedarf und den Unterhalt derjenigen Unterhaltsberechtigten sicherstellen kann, die dem vollstreckenden Unterhaltsberechtigten vorgehen oder im Rang gleichstehen. Dieses Pfändungsprivileg greift aber nur auf Antrag des Unterhaltsberechtigten, der vollstreckt. Das Vollstreckungsgericht legt dann betragsmäßig oder nach Quoten fest, wie viel dem Unterhaltspflichtigen für seinen eigenen Unterhalt verbleiben darf. Insoweit ist der Selbstbehalt bei der Pfändung nicht relevant.
Der Bundesgerichtshof hat dazu klargestellt, dass der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Betrag grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt entspricht. Zum notwendigen Lebensunterhalt gehören nach § 27a SGB XII "insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens".
Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nach den konkreten Umständen im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu ermitteln, wobei vorrangig das ortsübliche Mietpreisniveau heranzuziehen ist (BGH FamRZ 2009, 1747). Lebt der Unterhaltspflichtige mit anderen Personen in einer Wohnung zusammen und decken die von ihm aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung auch den Wohnbedarf dieser Personen, ist die Höhe des angemessenen Bedarfs des Unterhaltspflichtigen für Unterkunft und Heizung fiktiv nach den Kosten zu ermitteln, die der Unterhaltspflichtige zur Deckung seines eigenen Wohnbedarfs aufwenden müsste.
Statt Pfändung Abtretung vereinbaren
Statt einer aufwendigen Pfändung kann sich der Unterhaltsberechtigte den Steuererstattungsanspruch durch den Unterhaltspflichtigen auch abtreten lassen. Im Vergleich zur Pfändung ist die Abtretung mit einem wesentlich geringeren Aufwand verbunden. Es bedarf auch keines Unterhaltstitels.
Nach § 46 Abs. III Abgabenordnung ist die Abtretung dem Finanzamt unter Angabe der Beteiligten sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist von beiden Beteiligten zu unterschreiben. Beantragt der Unterhaltspflichtige dann nämlich nicht die Erstattung seines Steuerguthabens, kann der Unterhaltsberechtigte aufgrund des Abtretungsvertrages dessen Verpflichtung einklagen und vollstrecken.
Was das Finanzamt mit dem Jugendamt zu tun hat
Ist der Unterhaltspflichtige den Unterhaltszahlungen zum Kindesunterhalt in Zahlungsverzug, hat das Kind Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Das Jugendamt wird dann versuchen, den unterhaltspflichtigen Elternteil in Regress zu nehmen. Es kann als Gläubiger des Unterhaltspflichtigen genauso die Zwangsvollstreckung betreiben wie jeder andere Gläubiger auch.
Eine Option ist, dass das Jugendamt den Steuererstattungsanspruch des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Finanzamt pfändet. Da es sich bei dem Jugendamt um eine Behörde handelt, erfolgt die Vollstreckung im Wege einer Verrechnung. Dies ist auch dann möglich, wenn sich die Ehepartner zuvor noch gemeinschaftlich zur Einkommensteuer haben veranlagen lassen und der Steuererstattungsanspruch formal beiden Ehepartnern zusteht. Dabei zu beachten, dass nur der Anteil des Unterhaltspflichtigen gepfändet werden kann. Auch der Anteil des neuen Ehepartners nach der Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen ist von der Pfändung ausgenommen.
Das Vollstreckungsrecht ist genauso komplex wie das Unterhaltsrecht. Auch wenn der Unterhaltsanspruch rechtsverbindlich festgestellt und tituliert ist, bekommt der Unterhaltsempfänger trotzdem kein Geld, wenn die Vollstreckung scheitert. Als Unterhaltszahler sollten Sie hingegen wissen, ob und wann Sie die Steuerrückerstattung in Ihrem Einkommen angeben müssen. Gerne wenden Sie sich mit Ihren Fragen, auch andere Themen des Unterhalts betreffend, an unseren InfoPoint. Sie erreichen uns unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 34 86 72 3. Wir freuen uns auf Ihren Anruf!