Unterhalt in Höhe von 160 % des Mindestunterhalts - was bedeutet das?

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Donnerstag, 29.10.2020, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Die Düsseldorfer Tabelle verweist in der dritten Spalte auf einen Prozentsatz. Der Prozentsatz wird jeweils in Bezug auf die Einkommensstufen 1 - 10 von 100 % bis 160 % angegeben. Die Frage ist, was der Prozentsatz bedeutet. Die Frage wird beispielsweise dann relevant, wenn Ihre Unterhaltsansprüche beispielsweise „in Höhe von 128 % oder gar 160 % des Mindestbedarfs“ tituliert werden und Sie sich fragen, ob Sie dann mehr Kindesunterhalt bezahlen, als Sie vielleicht zahlen müssten.

Wo und wann taucht die Problematik auf?

Die Erklärung erscheint theoretischer Natur. Dennoch sollten Sie wissen, was es damit auf sich hat. Sind Sie gegenüber Ihrem Kind unterhaltspflichtig und erkennen Ihre Zahlungspflicht beim Jugendamt in einer Jugendamtsurkunde an, finden Sie in der Erklärung meist die Formulierung, dass Sie Unterhaltsansprüche in Höhe von beispielsweise 128 % oder 144 % oder im höchsten Fall bis zu 160 % des Mindestbedarfs anerkennen.

Die Düsseldorfer Tabelle weist Prozentsätze aus

Der grundlegende Hinweis findet sich in § 1612b BGB. Demnach kann ein minderjähriges Kind den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. Dieser Mindestunterhalt ist in der 1. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle bei einem unterhaltsrelevanten Nettoeinkommen bis 1.900 EUR in der Altersstufe von 6 - 11 Jahren mit 100 % bestimmt. Er beträgt derzeit 424 EUR (Stand Düsseldorfer Tabelle 1.1.2020). Die Unterhaltsbeträge in den Einkommensstufen 2 - 10 ergeben sich dadurch, dass der Betrag von 424 EUR mit dem jeweils ausgewiesenen Prozentsatz multipliziert wird.

 

Genauso ist auch in anderen Altersstufen zu verfahren. Insoweit haben die Prozentsätze in der Düsseldorfer Tabelle nur informativen Charakter. Mit den Prozentsätzen können alle Unterhaltsbeträge rechnerisch ermittelt werden. Für die Praxis bedeutet dies: Möchten Sie den Unterhaltsbetrag beziffern, genügt es, wenn Sie ausgehend von Ihrem bereinigten Nettoeinkommen und dem Alter des Kindes den Unterhaltsbetrag in der Tabelle ablesen.

 

Die Unterhaltsbeträge, die sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergeben, sind noch um die Hälfte des Kindergeldes zu reduzieren. Da das Kindergeld für das gemeinsame Kind beiden Elternteilen zusteht, ist es auf den Unterhalt hälftig anzurechnen (§ 1612b BGB).

Praxisbeispiel

Unterhaltshöhe anhand des Prozentsatzes berechnen

Der Mindestunterhalt beträgt in der Einkommensstufe 1.900 EUR = 424 EUR. Will man den Mindestunterhalt in der Einkommensstufe 2 (1.901 EUR - 2300 EUR) errechnen, ist der Betrag von 424 EUR mit dem in der Tabelle ausgewiesenen Prozentsatz von 105 % zu multiplizieren. Es ergibt sich ein Unterhalt von 446 EUR. In der höchsten Einkommensstufe 10 ist der Betrag von 424 EUR mit dem Prozentsatz von 160 % zu multiplizieren. Es ergibt sich ein Unterhalt von 679 EUR.

Welche praktische Funktion haben die Prozentbeträge ansonsten noch?

Geht es darum, den Unterhalt festzulegen, können Sie statischen oder dynamisierten Unterhalt vereinbaren. Statischer Unterhalt wird anhand der Zahlsätze der Düsseldorfer Tabelle ermittelt und als konkreter Betrag festgeschrieben. Sie können sich dann beispielsweise verpflichten, für Ihr 10-jähriges Kind bei einem Nettoeinkommen bis 3.500 EUR = 509 EUR Kindesunterhalt zu zahlen. Ändern sich die Verhältnisse, weil Sie mehr oder weniger verdienen oder Ihr Kind älter wird, muss der statische Unterhalt neu vereinbart werden. Vereinbarungen dieser Art erweisen sich in der Praxis immer wieder als schwierig.

 

Daher erscheint es praxisgerechter, den Unterhalt als dynamisierten Unterhalt zu vereinbaren. Dann wird der Unterhalt nicht als konkreter Betrag in Euro festgelegt, sondern als Prozentsatz eines Regelbetrages. Dadurch passt sich der jeweils zu zahlende Unterhaltsbetrag automatisch an die Verhältnisse an, ohne dass ein gerichtliches Verfahren erforderlich ist oder ein Elternteil irgendwie aktiv werden muss. Der dynamisierte Unterhalt stellt also keine besondere Methode der Unterhaltsberechnung dar. Er wird nur in anderer Form festgelegt, nämlich nicht als Eurobetrag, sondern indem dieser Betrag ins prozentuale Verhältnis zu dem Regelbetrag gesetzt und nur als Prozentsatz ausgewiesen wird. Der Vorteil des dynamisierten Unterhalts besteht darin, dass Streitigkeiten in der Zukunft vermieden werden und sich die Zahlbeträge automatisch anpassen.

Vorsicht: Unterschreiben Sie nicht blindlings eine Jugendamtsurkunde

Im einfachsten Fall erkennen Sie Ihre Unterhaltspflicht beim Jugendamt in einer Jugendamtsurkunde an. Die Anerkennung ist in verlockender Weise gebührenfrei. Verpflichtet zur Anerkennung sind Sie jedoch nicht. Trotzdem hat Ihr Kind Anspruch darauf, dass seine Unterhaltsansprüche rechtsverbindlich festgeschrieben, sprich tituliert werden und zwar auch dann, wenn Sie den Kindesunterhalt freiwillig und pünktlich entrichten. Die Jugendamtsurkunde ist ein solcher Titel.

 

Kritisch ist dabei anzumerken, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes sich möglicherweise als „Anwalt Ihres Kindes“ verstehen und Sie aufgrund der geschulten Sachkenntnis möglicherweise zu einer Unterschrift veranlassen, die Sie im Ergebnis benachteiligt. Letztlich kommt es entscheidend darauf an, wie Ihr unterhaltsrelevantes Einkommen berechnet wird. Ob hierbei auch Ihre Interessen ausreichend berücksichtigt werden, sollte mindestens eine Überlegung wert sein. Je nachdem, wie Ihr unterhaltsrelevantes Einkommen berechnet ist, ergibt sich der maßgebliche Prozentsatz, der Ihre Unterhaltspflicht bestimmt. Ob dies jetzt 100 % in der untersten Einkommensstufe 1 oder 110 % in der Einkommensstufe 3 sind, macht einen gewichtigen Unterschied aus.

 

Ein weiteres Problem kann dadurch entstehen, dass sich eine Jugendamtsurkunde später nur noch unter Schwierigkeiten abändern lässt. Werden Sie beispielsweise gegenüber einem weiteren Kind unterhaltspflichtig und reicht Ihr verfügbares Einkommen nicht aus, um beide Unterhaltspflichten vollumfänglich zu bedienen, bleibt Ihre Unterhaltspflicht in der Jugendamtsurkunde fortbestehen. Um die Urkunde abzuändern, müssen Sie erfahrungsgemäß oft gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

 

Sie vermeiden die Problematik, wenn Sie Ihre Unterhaltspflicht individuell im Hinblick auf Ihre Gegebenheiten berechnen lassen. Auf dieser Grundlage können Sie Ihre Unterhaltspflicht dann durchaus in einer Jugendamtsurkunde anerkennen.

Achtung: Bedarfskontrollbetrag als Korrektiv

In der Düsseldorfer Tabelle ist neben dem Prozentsatz auch der Bedarfskontrollbetrag ausgewiesen. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem unterhaltspflichtigen Elternteil und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird der in der Düsseldorfer Tabelle jeweils ausgewiesene Bedarfskontrollbetrag unterschritten, weil es mehrere unterhaltsberechtigte Personen gibt, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigen Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.

 

Die Düsseldorfer Tabelle ist nämlich darauf zugeschnitten, dass die Unterhaltspflicht gegenüber zwei Personen besteht. Ist die Zahl der unterhaltsberechtigten Person größer oder kleiner, können Abschläge vom Tabellenbetrag oder Zuschläge gemachen werden. So erfolgt eine Herabstufung in eine niedrige Einkommensgruppe bei mehr als zwei unterhaltsberechtigten Person oder eine Höherstufung bei weniger als zwei unterhaltsberechtigten Personen.

 

Da die Düsseldorfer Tabelle relativ große Einkommensschritte von jeweils 400 EUR vorsieht (z.B. Einkommensstufe 5 = 3.101 - 3.500 EUR), wird in der Regel eine Höher- oder Herabstufung nur um eine Einkommensgruppe in Betracht kommen. Die früher oft erfolgte Höherstufung um zwei Einkommensgruppen bei nur einer unterhaltsberechtigten Person oder Herabstufung für jede weitere Person um eine Einkommensgruppe kommt kaum noch in Betracht.

Alles in Allem

Das Maß des Kindesunterhalts bestimmt sich nach einer ganzen Reihe von Faktoren. Sie brauchen diese im Detail nicht zu kennen, da Ihre Einflussmöglichkeiten auf die Höhe Ihres Nettoeinkommens beschränkt sind. Sie können Ihr Nettoeinkommen allenfalls insoweit beeinflussen, als Sie alle rechtlich relevanten und anerkennenswerten Faktoren berücksichtigen, die Ihr Bruttoeinkommen auf das unterhaltsrelevante Einkommen reduzieren.

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