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Umzug vermeiden trotz Miet- und Unterhaltserhöhung
Dienstag, 16.01.2024 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion
Zahlen Sie Ihrem Kind oder Ihrem Ex-Partner Unterhalt, sollen die Selbstbehalte sicherstellen, dass Sie nicht selbst verarmen. Darin sind neben den Lebenshaltungskosten auch Wohnkosten enthalten. Die für die Wohnkosten angesetzten Beträge reichen aber oft nicht aus, um die tatsächliche zu zahlende Miete abzudecken. Sie werden als Unterhaltszahler also daran interessiert sein, Ihre höheren Wohnkosten geltend zu machen. Entscheidend sind hier jedoch die richtigen Begründungen. Beauftragen Sie Ihre Unterhaltsberechnung über unterhalt.com, berücksichtigt diese die hier vorgestellten Ansätze und betrachtet auch die Gesamtheit Ihrer Lebensumstände. Hier geht es zu unserem Online-Unterhaltsformular!
Wie hoch sind die in den Selbstbehalten benannten Wohnkosten?
Die Selbstbehalte der Düsseldorfer Tabelle enthalten folgende Wohnkosten:
beim Unterhalt für ein minderjähriges Kind = 520 €
beim Unterhalt für ein volljähriges Kind = 650 €
beim Unterhalt für getrenntlebende oder geschiedene Ex-Partner = 580 €
beim Unterhalt gegenüber den eigenen Eltern = 580 €.
Wie setzen sich die Wohnkosten zusammen?
Die Wohnkosten sind als Warmmiete zu verstehen, die sich aus der Kaltmiete zuzüglich der Nebenkosten und Heizkosten zusammensetzt.
Wann können die Wohnkosten erhöht werden?
Die Düsseldorfer Tabelle gesteht zu, dass die Wohnkosten und damit der jeweilige Selbstbehalt insgesamt erhöht werden können, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) die jeweils benannte Wohnkostenpauschale übersteigen und nicht unangemessen sind.
Das Merkmal, „übersteigen“ ist leicht nachzuvollziehen, wenn die tatsächlichen Wohnkosten über den pauschalen Wohnkostenansatz im Selbstbehalt liegen. Schwierig wird es beim Merkmal „nicht unangemessen“. Es die Frage zu beantworten, wann Wohnkosten im Einzelfall noch angemessen sind.
Praxisbeispiel
Von diesem Beispiel gehen wir aus
Hans ist seinem Kind unterhaltspflichtig. Da er erwerbstätig ist, steht ihm ein Selbstbehalt von 1450 € zu. Darin sind 520 € Wohnkosten enthalten (Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2024). Seine Warmmiete liegt bei 600 €. Hans macht geltend, dass ein Umzug unwirtschaftlich und nicht zuzumuten wäre, sein Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe liegt, er deshalb nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist und auf dem Wohnungsmarkt keine günstigere zumutbare Wohnung verfügbar ist. Hans möchte beantragen, den Selbstbehalt um 80 € zu erhöhen. Bevor Hans bei Gericht einen Antrag stellt, muss er prüfen oder besser prüfen lassen, ob ein solcher Antrag Aussichten auf Erfolg hat und vor allem, wie ein solcher Antrag im Detail zu begründen wäre.
Größere Wohnung, damit Kind ein eigenes Zimmer hat - strittig
Nimmt der unterhaltspflichtige Elternteil sein Umgangsrecht wahr, ist es immer vorteilhaft, wenn das Kind in der Wohnung ein eigenes Zimmer hat. Deshalb sollte eine entsprechend große Wohnung bereitgehalten werden. Dieses Argument lässt die Rechtsprechung aber oft nicht gelten. Nach einer Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein sei dem unterhaltsberechtigten Kind besser gedient, wenn es mehr Kindesunterhalt habe, als mit einem eigenen Zimmer beim umgangsberechtigten Elternteil (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.12.2013 – 15 WF 414/13).
Ob diese Einschätzung richtig ist, erscheint zweifelhaft. Sie könnte dazu führen, dass sich das Kind in der Wohnung des umgangsberechtigten Elternteils nicht besonders wohl fühlt und sich dem Umgang widersetzt. Da der Umgang aber nach der Vorstellung des Gesetzgebers dem Kindeswohl dient, sollte der umgangsberechtigte Elternteil auch in die Lage versetzt werden, dieser Anforderung gerecht zu werden. Es ist also ein durchaus brauchbares Argument, für das Kind zur Ausübung des Umgangsrechts ein eigenes Zimmer vorzuhalten und deshalb eine größere Wohnung in Anspruch zu nehmen.
Wie verargumentiert man seine Wohnkosten sonst als angemessen?
Die in der Düsseldorfer Tabelle benannten Selbstbehalte und Wohnkostenpauschalen sind die Regel. Will der Unterhaltspflichtige davon eine Ausnahme geltend machen, braucht es gute Gründe. Dem Grundsatz nach muss der Unterhaltspflichtige akzeptieren, dass er im Hinblick auf den Kindesunterhalt verpflichtet sein kann, seine Wohnbedürfnisse einzuschränken und den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. In diesem Fall kann der Unterhaltspflichtige durchaus verpflichtet sein, sich um eine preisgünstigere Wohnung zu bemühen und auch einen Umzug in Kauf zu nehmen.
Pauschaler Wohnkostenanteil auf dem Land und in der Stadt nicht das gleiche
Die Wohnkosten sind pauschal bestimmt. Es gibt Wohnungen in Gemeinden, in denen der Pauschalbetrag ausreicht, während der Pauschalbetrag in größeren Städten mit Wohnungsknappheit eher knapp bemessen ist. Insoweit erscheint es als ein Gebot wirtschaftlichen Zwangs, die Wohnkostenpauschale an die individuellen Gegebenheiten anzupassen. Ist die Wohnkostenpauschale im Einzelfall zu gering, geht der Kostenaufwand zu Lasten der Lebenshaltungskosten des unterhaltspflichtigen Elternteils.
Sätze des Bürgergelds heranziehen
Um von der Regel der Wohnkostenpauschale abzuweichen, braucht es eine entsprechende Begründung. Der Kostenaufwand muss erheblich und unvermeidbar sein. Der Unterhaltspflichtige muss darlegen, dass es ihm nicht zuzumuten ist, die Wohnung zu kündigen und sich anderweitig preisgünstigeren Wohnraum zu beschaffen.
Ein Ansatz hierzu könnte die Regelung beim Bürgergeld sein. Das Jobcenter übernimmt neben der Kaltmiete auch die Nebenkosten und die Heizkosten. Allerdings muss die Miete angemessen sein. Was genau angemessen ist, entscheidet das Jobcenter. Dabei gilt grundsätzlich, dass in größeren Städten höhere Mieten als angemessen betrachtet werden als in kleineren Städten und auf dem Land. Hierzu gibt es Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
Danach gilt
für eine Person ein angemessener Wohnraum zwischen 45 - 50 m²,
bei zwei Personen gelten 60 m² oder zwei Wohnräume als angemessen,
bei drei Personen ca. 75 m² oder drei Wohnräume,
bei vier Personen etwa 85 - 90 m² oder vier Wohnräume sowie
für jedes weitere Familienmitglied etwa 15 m² oder ein Wohnraum mehr.
Lage der Wohnung reduziert Fahrtkosten für alle Familienmitglieder
Weitere Ansätze für eine sinnvolle Begründung könnte die Lage der Wohnung sein. Damit ist nicht gemeint, dass man vom Balkon aus einen schönen Ausblick genießen kann. Vielmehr
wohnt der Unterhaltspflichtige dadurch in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes,
sein Arbeitsplatz ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar,
die Wohnung des unterhaltspflichtigen und umgangsberechtigten Elternteils ist für das Kind optimal erreichbar.
Gibt ein Umzug in eine weiter entfernte Wohnung an der Peripherie des Stadtrands diese Vorteile aus der Hand, schadet dies auf lange Sicht mehr, als es nutzt.
Gestiegene Wohnkosten durch nicht beeinflussbare Faktoren
Weitere Ansätze für eine sinnvolle Begründung können sein:
Vermieter hat die Miete auf Anschlag des gesetzlich Erlaubten erhöht,
Unterhaltspflichtiger muss erhöhte Nebenkosten zahlen (z.B. höhere Heizkosten, Grundsteuern, Abfallgebühren),
Vermieter erlaubt die Untervermietung eines Zimmers nicht, um Wohnkosten zu sparen (in der Regel muss die Erlaubnis jedoch erteilt werden).
Oder kurzum: Auf dem Wohnungsmarkt gibt es keine angemessene Wohnung, die im Hinblick auf die Wohnbedürfnisse des Unterhaltspflichtigen preisgünstiger und angemessener wäre. Ähnlich wie bei Bewerbungsnachweisen während der Arbeitslosigkeit kann es hilfreich sein, Wohnungsanzeigen von Immobilienportalen zu sammeln (zum Beispiel über automatische E-Mails), um seine Recherchetätigkeit dahingehend zu belegen.
Wohnkosten in einer neuen Lebensgemeinschaft
Wohnt der Unterhaltspflichtige mit einem neuen Lebenspartner oder einer neuen Lebenspartnerin in einer Wohnung zusammen, ist zu berücksichtigen, dass die Wohnkosten nicht nur den eigenen Wohnbedarf abdecken, sondern auch den des neuen Lebensgefährten. Unterhaltsrechtlich ist also lediglich der eigene Wohnkostenanteil zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollen die gesamten Vorteile des Zusammenlebens einschließlich einer Wohnkostenersparnis von 10 % des jeweiligen Selbstbehalts zu bemessen sein (BGH FamRZ 2014, 912).
Vorher Wohngeld beantragen, jedoch Sorgerechtsregelung beachten
Beruft sich ein Unterhaltspflichtiger auf den Selbstbehalt und reklamiert zu hohe Wohnkosten, sollte vorab geprüft werden, inwieweit Anspruch auf Wohngeld besteht. Die Voraussetzungen, unter denen Wohngeld gewährt wird und die Beträge des Wohngeldes selbst wurden erhöht, so dass auch bei mittleren Einkommen immer Aussichten bestehen, Wohngeld bewilligt zu bekommen. Damit könnte sich das unterhaltsrechtliche Problem von selbst erledigen.
Dies gilt umso mehr, als der unterhaltspflichtige Elternteil sein gesetzlich verbrieftes Umgangsrecht mit dem Kind wahrnimmt. Unter Umständen gilt das Kind nämlich als Haushaltsmitglied im Sinne des Wohngeldgesetzes. Dadurch erhöhen sich die Freibeträge und damit die Chancen auf Wohngeld. Das Gesetz enthält hierzu eine ausdrückliche Regelung:
„Betreuen nicht nur vorübergehend getrenntlebende Eltern ein Kind oder mehrere Kinder zu annähernd gleichen Teilen, ist jedes dieser Kinder bei beiden Elternteilen Haushaltsmitglied. Gleiches gilt bei einer Aufteilung der Betreuung bis zu einem Verhältnis von mindestens einem Drittel zu zwei Dritteln je Kind. Betreuen die Eltern mindestens zwei dieser Kinder nicht in einem zuvor benannten Verhältnis, ist bei dem Elternteil mit dem geringeren Betreuungsanteil nur das jüngste dieser Kinder Haushaltsmitglied“ (§ 5 WohnGG).
Doch Vorsicht: Nach dem Gesetz gelten Kinder getrenntlebender Eltern aber nur dann als Haushaltsmitglieder ihrer Eltern, wenn die Eltern gemeinsam die elterliche Sorge innehaben. Ist die elterliche Sorge einem Elternteil allein übertragen, hat der nicht sorgeberechtigte Elternteil keinen Anspruch auf Wohngeld.
Alles in allem
Der Wohnkostenanteil im Selbstbehalt lässt sich nicht einfach mal so eben erhöhen. Er bedarf immer der ausdrücklichen und nachvollziehbaren Begründung. Unsere Kooperationsanwälte* bei der Unterhaltsberechnung können im Hinblick auf die Rechtsprechung am besten beurteilen, ob Sie Aussichten auf Erfolg haben und mit welcher Begründung Sie Ihren Antrag stellen sollten. Weitere häufig gestellte Fragen dazu, wenn Sie Ihren Unterhalt berechnen lassen, finden Sie unter diesem Link. Gerne rufen Sie auch unseren InfoPoint für erste Fragen unter der 24/7-Hotline (kostenfrei, Nummer und Gespräch) 0800 34 86 72 3 an – wir würden uns freuen, Ihnen zu helfen!