Politisch ist Altersteilzeit gewünscht. Altersteilzeit entlastet den Arbeitsmarkt und ermöglicht Arbeitnehmern einen allmählichen Übergang in die Rente. Soweit mit der Altersteilzeit eine freiwillig veranlasste Einkommensminderung einhergeht, kommt es auf den Grund für die Einkommensminderung an. Gibt es vertretbare Gründe, reduziert Altersteilzeit auch den Unterhalt. Ansonsten bleibt die Unterhaltspflicht so wie vereinbart bestehen. Ist Altersteilzeit für Sie ein Thema, erfahren Sie in diesem Beitrag
- inwieweit Sie weiterhin Unterhalt in gleicher Höhe wie bisher fordern
- oder wie als Unterhaltsschuldner den bislang gezahlten Unterhalt reduzieren können.
Weniger Unterhalt durch Altersteilzeit?
Sind Sie unterhaltspflichtig und leisten Kindesunterhalt, Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, bemisst sich der zu zahlende Unterhalts nach der Höhe Ihres Nettoeinkommens. Je höher Ihr Einkommen, desto mehr Unterhalt. Sinkt das Einkommen, sollte man annehmen dürfen, dass sich dadurch auch die Höhe des Unterhalts reduziert. Dies führt zu der Frage, ob Sie Ihre Unterhaltspflichten dadurch reduzieren können, dass Sie Ihre regelmäßige Arbeitszeit und damit auch Ihr Einkommen, beispielsweise im Wege eines Altersteilzeitvertrages, verringern.
Pflicht zur Arbeit als Unterhaltsschuldner
Allein der Umstand, dass Sie durch die Altersteilzeit nur noch geringere Einkünfte erzielen, genügt jedenfalls nicht, um die Unterhaltspflicht in der Höhe zu reduzieren. Dem Grundsatz nach ist es so, dass Sie Ihre Unterhaltspflicht nicht mutwillig oder leichtfertig gefährden dürfen. Da Sie aus gesetzlichen Gründen Unterhalt schulden, sind Sie aufgrund Ihrer Verantwortung als Elternteil gegenüber einem Kind oder aufgrund Ihrer ehebedingten Verantwortung als Ex-Partner verpflichtet, Ihre Arbeitskraft vollumfänglich und in zumutbarer Weise einzusetzen, um Ihre Unterhaltspflichten zu erfüllen. Sie haben eine sogenannte Erwerbsobliegenheit. Dies Erwerbsobliegenheit ist insbesondere im Hinblick auf den Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind relevant. Sie können z.B. nicht einfach kündigen, um den Unterhalt zu umgehen.
In den folgenden Fällen wirkt sich eine Einkommensminderung jedoch auf die zu zahlende Höhe aus:
- Sie werden unverschuldet arbeitslos
- Sie werden vom Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen gekündigt
- Sie gehen in die Regelaltersrente
Dann zahlen Sie weniger Unterhalt. Ihre Erwerbsobliegenheit ist insoweit kein Ansatz für einen Vorwurf. Ungeachtet dessen müssen Sie sich weiterhin um Arbeit bemühen. Nur dann, wenn Sie ernsthaft nachweisen können, dass Sie sich erfolglos um einen Arbeitsplatz beworben haben, können Sie sich auf Ihr verringertes Einkommen (Arbeitslosengeld) berufen. Geht es um Altersteilzeit oder Vorruhestand, gelten ähnliche Grundsätze.
Problematisch erweisen sich Fälle, in denen der Unterhaltsschuldner bereits frühzeitig aus dem Erwerbsleben aussteigt, wie dies bei Polizisten, Feuerwehrleuten, Soldaten, Bergleuten oder Piloten oft der Fall ist. In diesem Fall muss beurteilt werden, ob es zumutbar ist, bis zum Erreichen der Altersgrenze eine anderweitige Berufstätigkeit auszuüben. Hier kommen Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit in Betracht, wenn die betreffende Person voll erwerbsfähig ist, sich aber mit den verringerten Versorgungsbezügen begnügt.
GUT ZU WISSEN
Anrechnung fiktiver Einkünfte
Einkommensminderungen, die darauf beruhen, dass Sie Ihre Erwerbsobliegenheit nicht ernst nehmen oder durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen veranlasst werden und durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können, bleiben unberücksichtigt. Trifft ein solcher Vorwurf zu, werden Ihnen stattdessen theoretisch erzielbare, sogenannte fiktive Einkünfte angerechnet (Bundesgerichtshof FamRZ 2008, 968).
Solche fiktiven Einkünfte setzen natürlich voraus, dass Sie objektiv in der Lage sind, Einkünfte zu erzielen. Dies ist vornehmlich der Fall, wenn Sie mutwillig, beispielsweise durch die freiwillige Inanspruchnahme von Altersteilzeit, Ihr berufliches Engagement reduzieren und dadurch weniger verdienen. Nach dieser Maßgabe ist die Frage zu beurteilen, ob Sie als Unterhaltsschuldner Ihr Einkommen dadurch reduzieren dürfen, dass Sie Altersteilzeit oder eine Vorruhestandsregelung in Anspruch nehmen.
Rechtfertigen betriebliche, persönliche oder gesundheitliche Gründe Ihre Altersteilzeit?
Die Rechtsprechung akzeptiert, dass Unterhalt durch die Vereinbarung von Altersteilzeit oder eine Vorruhestandsregelung reduziert wird, wenn Sie sich als Unterhaltsschuldner auf betriebliche, persönliche oder gesundheitliche Gründe berufen. Anzuerkennen wären also
- gesundheitliche Beeinträchtigungen, durch die Sie Ihren bisherigen Beruf nicht mehr wie gewohnt ausüben können,
- ein Sozialplan aufgrund geplanter Betriebsänderung
- oder eine drohende betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber.
Maßgeblich kommt es als darauf an, ob Sie sich als Arbeitnehmer und Unterhaltsschuldner in einer besonderen Zwangslage befunden haben und hinreichend nachvollziehbaren Anlass hatten, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen.
Bei einer Gesamtabwägung aller Umstände muss die damit verbundene Reduzierung des Einkommens auch gegenüber dem Unterhaltsgläubiger als angemessen erscheinen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf des Unterhaltsgläubigers möglicherweise durch eigene Einkünfte gewährleistet oder der durch Ihre Einkommensminderung reduzierte Unterhaltsanspruch immer noch auf einem hohen Niveau sichergestellt ist.
Ein Ansatzpunkt kann auch dann bestehen, dass die Altersteilzeit auf der gemeinsamen Lebensplanung während Ihrer Ehe beruhte und sich der Ehepartner als Unterhaltsgläubiger mit Ihrer Entscheidung, Altersteilzeit zu nehmen, gleichfalls in die Verantwortung nehmen lassen muss. Insoweit kommt es immer auf die Umstände im Einzelfall an. Pauschale Antworten gibt es nicht.
Vorab Unterhaltspflicht und -höhe anwaltlich prüfen lassen
Tragen Sie sich mit dem Gedanken, in Altersteilzeit zu gehen oder eine Vorruhestandsregelung in Anspruch zu nehmen, sollten Sie genau prüfen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf Ihre Unterhaltspflicht hat. Soweit Sie dafür keine sachlich rechtfertigenden Gründe haben, bleibt Ihre Unterhaltspflicht bestehen, auch wenn Ihnen dadurch erheblich weniger Liquidität zur Verfügung steht. Sie müssen dann mit dem Geld auskommen, das Ihnen nach Zahlung des Unterhalts noch zum Leben verbleibt.
Praxisbeispiel
Wenn weniger Geld als der Selbstbehalt übrig bleibt
Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 18.10.2006, Az. 2 UW 7/06) hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Unterhaltsschuldner vor Beginn der Altersteilzeit 2.800 EUR netto monatlich verdiente. Er vereinbarte mit dem Arbeitgeber Altersteilzeit und bezog nur noch 1.430 EUR Arbeitslosengeld und Altersrente. Trotz dieser Einkommensminderung verurteilte das Gericht den Unterhaltsschuldner, an die getrennt lebende Ehefrau monatlich 991 EUR zu zahlen. Dem Unterhaltsschuldner verblieben zum Leben noch 439 EUR. Das Gericht verwies den Unterhaltsschuldner darauf, dass er die erhöhte und unterhaltsrechtlich begründete Leistungsfähigkeit im Interesse des Unterhaltsgläubigers aufrechterhalten müsse. Da er sich nicht auf sachlich veranlasste Gründe berufen konnte, wurde ihm für die Unterhaltsberechnung ein theoretisch erzielbares fiktives Einkommen angerechnet, das sich an dem vor Beginn der Altersteilzeit erzielten Nettoeinkommen orientierte.
Das Problem dabei ist offensichtlich. Wenn dem Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen angerechnet wird, ist nicht nachzuvollziehen, wie er aus diesem Einkommen den geschuldeten Unterhalt zahlen soll und zugleich unter das eigene Existenzminimum rutscht. Hilfreich wäre insoweit, einen einigermaßen angemessenen Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen. Wird der gesetzlich anerkannte Selbstbehalt in Höhe von 1.160 EUR zugrunde gelegt, würden der Ehefrau in diesem Fall 270 EUR Unterhalt zu stehen. Soweit dieser im Vergleich zu vorher relativ geringe Betrag unangemessen erscheint, wäre es eventuell angemessener, das verfügbare Einkommen wenigstens aufzuteilen.
Was tun, wenn Sie die Unterhaltspflicht anpassen möchten?
Ist Ihre Unterhaltspflicht rechtsverbindlich festgestellt (Gerichtsurteil, notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung), dürfen Sie die Zahlungen nicht nach eigenem Ermessen reduzieren. Auch die Berufung auf Ihre verringerten Einkünfte sind nicht geeignet, die insoweit bestehende Unterhaltspflicht auszuhebeln.
Im Idealfall verständigen Sie sich mit dem Unterhaltsgläubiger, dass Sie aufgrund Ihres verringerten Einkommens weniger Unterhalt zahlen. Gelingt die Verständigung nicht, bleibt Ihnen nur, beim Familiengericht eine sogenannte Abänderungsklage einzureichen. Dann prüft das Gericht die Verhältnisse. Haben Sie überzeugende Gründe, dass Sie Altersteilzeit in Anspruch nehmen mussten, bestehen gute Aussichten, den Unterhaltsanspruch zu reduzieren.
Dabei wäre auch zu prüfen, ob und inwieweit der Unterhaltsgläubiger über eigene Einkünfte verfügt, die möglicherweise noch nicht berücksichtigt werden konnten, als über Ihre Unterhaltspflicht verhandelt wurde. Ist der Unterhaltsgläubiger nämlich imstande, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, ist er nicht mehr wirtschaftlich bedürftig und hätte insoweit keinen Anspruch mehr auf Unterhalt.
Alles in allem
Altersteilzeit ist eine gute Sache. Sie ist aber nicht das richtige Werkzeug, um bestehende Unterhaltspflichten auszuhebeln. Bevor Sie sich für Altersteilzeit oder eine Vorruhestandsregelung entscheiden, sollten Sie sich eingehend informieren und möglichst anwaltlich beraten lassen, welche Auswirkungen auf Ihre bestehende Unterhaltspflicht zu erwarten sind. Nur so vermeiden Sie ein böses Erwachen.