Jugendamt berechnet Unterhalt falsch

Montag, 05.06.2023, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Jeder kann sich einmal vertun und verrechnen. Folgen hat dies jedoch, wenn Rechenfehler oder falsche Einschätzungen in die Lebenssituation von getrennt lebenden Familien eingreifen. Zahlen oder bekommen Sie (als rechtlicher Vertretender des Kindes) Kindesunterhalt, ist es möglich, dass Sie entweder zu viel oder zu wenig Unterhalt ausgerechnet bekommen haben. Oft liegt das an der Nicht- oder Überberücksichtigung von Abzügen beim unterhaltsrelevanten Einkommen des Unterhaltszahlers. Um zu verhindern, dass Sie zu viel Unterhalt zahlen oder zu wenig erhalten, können Sie Widerspruch einlegen und eine selbstbeauftragte Unterhaltsberechnung als Beleg Ihres Einspruchs mitsenden.

Wer berechnet in Deutschland den Kindesunterhalt?

Der betreuende Elternteil kann auswählen, ob (u.a.)

  • ein Rechtsanwalt die Berechnung und Durchsetzung des Minderjährigenunterhalts vornimmt
  • oder das Jugendamt als Beistand des Kindes tätig wird.

Auf den schriftlichen Antrag des betreuenden Elternteils wird das Jugendamt als Beistand des Kindes tätig (§ 1712 BGB). Das Jugendamt ist damit der gesetzliche Vertreter des Kindes und hat mithin das Recht, den Unterhaltsanspruch des Kindes geltend zu machen und gegebenenfalls gerichtlich einzuklagen.

Was, wenn das Jugendamt den Unterhalt augenscheinlich falsch berechnet hat?

Das Jugendamt fordert den Unterhaltszahlenden zur Offenlegung seiner Auskünfte auf und ermittelt sodann die Höhe des Kindesunterhalts. Die bloße Berechnung ist nicht rechtsverbindlich. Als Unterhaltsschuldner sind Sie keinesfalls verpflichtet, die Berechnung des Unterhalts durch das Jugendamt bedingungslos zu akzeptieren. Die Frage ist, quo vadis? Wohin sich wenden mit dem Brief der offenkundig falschen Zahlungssumme?

Was der Unterhaltsschuldner nicht tun darf

Die Mitteilung des Jugendamts keinesfalls ignorieren. Ist der Unterhaltszahlende mit der Unterhaltsberechnung nicht einverstanden, sollte er tunlichst nicht schweigen und versuchen, die Sache auszusitzen.

 

Auch bei einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit sollte immer das Wort mit dem zuständigen Sachbearbeiter gesucht werden, da bei einer fehlenden Leistungsfähigkeit des Schuldners Unterhaltsvorschuss durch das Jugendamt gewährt wird. Diesen wird es versuchen, sich vom nichtbetreuenden Elternteil wiederzuholen.

Was der Unterhaltsschuldner tun sollte – Widerspruch einlegen

Zunächst einmal deutlich machen, dass Sie Klärungsbedarf haben. Soweit das Jugendamt im Schriftverkehr Fristen setzt, sollten Sie diese Fristen unbedingt ernst nehmen. Zumal das Jugendamt meist über die Unterhaltsberechnung hinaus fordert, dass der Kindesunterhalt in einer Jugendamtsurkunde rechtsverbindlich anerkannt wird.

 

Legen Sie also Widerspruch ein. Eine besondere Form dessen braucht es nicht. Man kann den Widerspruch schriftlich formulieren oder persönlich beim Jugendamt vorbringen. Eine sich an Recht und Gesetz orientierende Begründung sollte immer dabei sein.

 

Rückt das Jugendamt von der Berechnung nicht ab, sollten Sie möglichst eine eigene individuelle Berechnung des Unterhalts vornehmen lassen. Dies kann ein Rechtsanwalt oder Unterhaltsservice* vornehmen, dessen Berechnung Sie dem Widerspruch beilegen. Wichtig ist auch oft, die richtige Argumentation mitzuliefern. Möglich, dass eine anwaltliche Berechnung auf eine niedrigere Summe als die des Jugendamtes kommt, es aber nicht auf den ersten Blick klar wird, wieso.

Was ist, wenn das Jugendamt zu wenig Unterhalt berechnet hat?

Es ist auch der umgekehrte Fall denkbar, dass das Jugendamt anfangs zu wenig Unterhalt berechnet hat. Wurde der Unterhaltsschuldner nicht ordnungsgemäß in Verzug gesetzt und eine Nachforderung bezieht sich auf die Vergangenheit, dürften sich die damit verbundenen und nachzuzahlenden Unterhaltsansprüche erledigt haben. Ob die Unterhaltsgläubiger eventuell ein Anspruch auf Nachzahlung haben, bedarf der Klärung im Einzelfall.

Wie zuverlässig ist die Unterhaltsberechnung des Jugendamtes?

Aus Sicht eines unterhaltspflichtigen Elternteils treten Jugendämter als Beistand und damit als Interessenvertreter des Kindes auf. Insoweit sind durchaus Zweifel begründet, ob der Unterhalt wirklich objektiv richtig berechnet wird. Die Mitarbeiter des Jugendamtes sind zwar im Unterhaltsrecht kompetent ausgebildet, sind in der Regel aber keine Volljuristen und haben keine Fachanwaltsausbildung im Familienrecht. Keinesfalls sollte man blindlings eine Jugendamtsurkunde unterschreiben.

 

Der Umstand, dass Jugendämter in den Augen vieler Elternteile ein eher negatives Image haben, hängt mit den persönlichen Erfahrungen von Elternteilen zusammen. Hinzu kommt die Vermutung, dass Jugendämter auch im eigenen Interesse handeln, wenn sie Kindesunterhalt geltend machen, um zu vermeiden, dass der Staat Unterhaltsvorschuss zahlen muss.

Empfiehlt sich eine anwaltliche* Prüfung der Unterhaltsberechnung?

Haben Sie eine Forderung des Jugendamtes erhalten, sollten Sie im Mindesten einen Rechtsanwalt* um seine Einschätzung bitten. Damit ist zumindest im Groben gewährleistet, dass Sie nicht ganz auf den Holzweg geraten. Anwälte besitzen die für die Unterhaltsberechnung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf Gesetz und Rechtsprechung.

Letztlich sei damit nicht gesagt, dass Berechnungen des Jugendamtes IMMER falsch angesetzt sind und ein Anwalt IMMER noch ein paar Euro in die ein oder andere Richtung herauszuholen vermag. Ergibt die Durchsicht aller Dokumente das Bild, dass der Unterhaltsanspruch in der durch das Jugendamt errechneten Höhe begründet ist, wird auch ein Anwalt empfehlen, dass Sie entweder

  • den Unterhaltsanspruch, so wie er ist, in der Höhe anerkennen und zahlen (als Schuldner) bzw.
  • bis zur üblichen Erhöhung des Kindesunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle keine Neuprüfung des Unterhalts anstoßen (als Empfänger).
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