Trennung und Scheidung sind bereits belastend genug. Ist dann noch Untreue im Spiel, kann es zu besonders intensivem Streit kommen. Fordert der untreue Partner Unterhalt, empfindet der betrogene Partner dies verständlicherweise als unfair. Doch wie sieht es rechtlich aus? Zwar spielen eheliche Verfehlungen im Scheidungsrecht keine Rolle mehr. Dennoch können Sie in Ausnahmefällen die Unterhaltszahlung bei Untreue durchaus verweigern. Lässt sich der Unterhaltsanspruch aus guten Gründen ausschließen, ist er in der juristischen Sprache „verwirkt“. Die Verwirkung des Unterhalts bedeutet also, dass ein an sich bestehender Unterhaltsanspruch aufgrund des moralisch oder sittlich anstößigen Verhaltens des unterhaltsberechtigten Partners nicht geltend gemacht werden kann.
Scheidung trotz Ehebruch?
Seit der Unterhaltsrechtsreform des Jahres 2008 spielen eheliche Verfehlungen rechtlich kaum noch eine Rolle. Ihre Ehe wird geschieden, wenn diese gescheitert ist und beide Ehepartner die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherstellen wollen. Dieses Zerrüttungsprinzip hat das zuvor geltende Verschuldensprinzip abgelöst. So wird vermieden, dass Scheidungen in einen Rosenkrieg ausarten, in dem die Partner vor dem Familiengericht ihre schmutzige Wäsche waschen, ihr Intim- und Privatleben offenbaren müssen und sich in gegenseitigen Vorwürfen verlieren. Jetzt zählt allein, dass Ihre eheliche Lebensgemeinschaft keine Zukunft hat. Nicht zuletzt hatte der Gesetzgeber das Ziel, die Familiengerichte zu entlasten.
Unterhalt trotz Ehebruch?
Eine andere Frage ist, ob Sie trotz Ihrer Scheidung Unterhalt leisten müssen. Dabei geht es um den Trennungsunterhalt für den Zeitraum der Trennung und den Ehegattenunterhalt nach der Scheidung. Ist der Partner oder die Partnerin nach Ihrer Trennung oder Scheidung finanziell bedürftig und sind Sie finanziell leistungsfähig, hat der Partner Anspruch auf Unterhalt. Soweit der Grundsatz. Davon gibt es eine Reihe von Ausnahmen. Danach kann der Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wenn dem Partner oder der Partnerin
- ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig auf seiner/ihrer Seite liegendes Fehlverhalten zur Last fällt oder
- er oder sie in einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.
Insoweit spielt Ehebruch im Unterhaltsrecht eine gewisse Rolle, auch wenn eheliche Verfehlungen (Verschuldensprinzip) im Scheidungsrecht an sich nicht mehr relevant sind. Es ist immer wieder Aufgabe der Gerichte, Ausnahmesachverhalte im Einzelfall zu beurteilen.
Wann können Sie bei Untreue, Ehebruch oder Seitensprung den Unterhalt verweigern?
Untreue oder Ehebruch allein führt noch nicht dazu, dass ein Unterhaltsanspruch entfällt. Untreue und Seitensprung lassen sich aus dem menschlichen Leben nicht ausklammern. Die Rechtsprechung stellt deshalb darauf ab, dass der untreue Ehepartner so offensichtlich und schwerwiegend seine ehelichen Bindungen beeinträchtigt hat, dass sein Verlangen nach Unterhalt und umgekehrt die Inanspruchnahme des anderen Ehepartners grob unbillig, also unfair, ungerechtfertigt und unzumutbar erscheint. Die Gerichte unterscheiden also nach der Schwere der Schuld, insbesondere danach, ob es sich um einen einmaligen Ausrutscher handelte oder um eine anhaltende Affäre.
Ein vom Gesetz gefordertes schwerwiegendes Fehlverhalten kommt bei Untreue daher erst in Betracht, wenn es sich um eine nachhaltiges, auf längere Zeit angelegtes intimes Verhältnis handelt und darin die Ursache für das Scheitern der Ehe zu sehen ist (BGH FamRZ 2008,1414). In einem solchen Verhalten offenbart sich die Widersprüchlichkeit des untreuen Partners, der sich einerseits aus der ehelichen Solidarität herauslöst und Unterhalt einfordert, gleichzeitig aber dem neuen Partner die eigentlich dem Ehepartner geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteilwerden lässt (BGH FamRZ 2011,791).
Dabei können auch Begleitumstände des Vertrauensbruchs eine Rolle spielen:
- In Betracht kommt die Aufnahme eines intimen Verhältnisses mit einem gemeinsamen Freund (OLG Koblenz FamRZ 2000, 290).
- Auch die Untreue während der berufsbedingten Abwesenheit des Ehemannes könne den Unterhaltsanspruch hinfällig machen.
In einem Fall des OLG Hamm (Az. 13 UF 3/11) hatte eine Ehefrau die berufsbedingte Abwesenheit ihres als Fernfahrer tätigen Mannes ausgenutzt, ein intimes Verhältnis mit einem gemeinsamen Freund zu beginnen. Ein Ehepartner könne sich nicht einerseits in eklatant rücksichtsloser, bloßstellender und verletzender Weise von der bisher gelebten Ehe distanzieren und dann andererseits Unterhalt einfordern.
Kein schwerwiegendes Fehlverhalten bei Untreue in sexloser Ehe
Seitensprünge und Untreue sind das eine, das Sexualleben innerhalb der Ehe das andere. Die insoweit noch konservativ erscheinende Rechtsprechung betrachtet den regelmäßigen Geschlechtsverkehr als eine wichtige wechselseitige Pflicht eines Ehepaares. Sie kann jedoch nicht eingeklagt oder anderweitig durchgesetzt werden. Weist der untreue Partner nach, dass er bzw. sie die außereheliche Affäre nur begonnen hat, weil der eigene Partner jedweden sexuellen Kontakt verweigerte, fehlt es meist an einem schwerwiegenden einseitigen Fehlverhalten (OLG Hamm Az. 8 UF 109/10).
Welche Rolle spielt die neue Beziehung?
Der Unterhalt kann auch dann verwirkt sein, wenn der untreue Partner nach der Trennung oder Scheidung sich einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin zugewandt hat und in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Auch hier begründet sich der Vorwurf darin, dass der untreue Partner sich aus seiner ehelichen Solidarität gelöst und dadurch gezeigt hat, dass er bzw. sie darauf nicht angewiesen ist. Zugleich gibt der Partner mit der neuen Beziehung zu erkennen, dass beide ihre Lebensverhältnisse so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit ihr Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehepartner.
Die Rechtsprechung erkennt eine verfestigte Lebensgemeinschaft aber erst an, wenn die Partner wenigstens zwei bis drei Jahre zusammengelebt haben (BGH FamRZ 2011, 1498). In Ausnahmefällen kann bereits früher auf eine ausreichende Verfestigung geschlossen werden,
- wenn die Partner ihre gemeinsame Lebensplanung dadurch offenbaren, dass sie gemeinsam erhebliche Investitionen tätigen (BGH FamRZ 2002, 810),
- ein gemeinsames Kind bekommen (BGH FamRZ 2012, 1201)
- oder eine gemeinsame Wohnung anmieten (OLG Oldenburg NJW 2012, 2450).
Nicht erforderlich ist, dass die Partner räumlich zusammen leben und einen gemeinsamen Haushalt führen. So kann ausreichend sein, wenn die Partner in getrennten Wohnungen leben, wirtschaftlich aber so verflochten sind, dass sie sehr wohl eine Lebensgemeinschaft begründet haben (BGH FamRZ 2002, 23).
Untreue trotz gemeinsamer Kinder
Die Unterhaltsfrage bei Untreue kann im Ergebnis unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Ist die Ehe kinderlos, muss der untreue Partner damit rechnen, seinen Unterhaltsanspruch einzubüßen, wenn ihm bzw. ihr ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Ist der untreue Ehepartner aber Elternteil eines gemeinsamen Kindes, bleibt der Unterhaltsanspruch im Regelfall begründet.
Das Kindeswohl geht vor
Der untreue Ehepartner erzieht das gemeinsame zweijährige Kind zu Hause. Er ist deshalb auf Betreuungsunterhalt angewiesen. Wollte man dem untreuen Ehepartner den Unterhalt verweigern und ihn/sie auf ein eigenes Einkommen verweisen, ginge eine solche Entscheidung zu Lasten des Kindes. Deshalb muss der betrogene Ehepartner dem untreuen Ehepartner zumindest für den Zeitraum Unterhalt zahlen, in dem das Kind der Betreuung bedarf.
Im Zweifel immer Zahlung unter Vorbehalt
Möchten Sie den Unterhalt im Hinblick auf den Ehebruch des untreuen Partners verweigern, sollten Sie eventuelle Unterhaltszahlungen immer unter Vorbehalt leisten. Zahlen Sie Unterhalt, obwohl Sie wissen, dass der Partner untreu war, könnte ein Gericht im Streitfall Ihr Verhalten so bewerten, dass Sie dem untreuen Partner „verziehen“ und vergeben haben. Zahlen Sie nur unter Vorbehalt, dokumentieren Sie, dass Sie den Ehebruch zwar nicht billigen, sich aber die Option offenhalten, Zahlungen für die Zukunft zu verweigern.
Verwirkung des Zugewinnausgleichs bei Ehebruch
Beim Zugewinnausgleich geht es darum, das während der Ehe erarbeitete Vermögen fair aufzuteilen. Die Voraussetzungen, unter denen Sie den Zugewinnausgleich verweigern können, sind nicht identisch mit denen, unter denen Sie den Unterhalt verweigern dürfen. Denn: Beim Zugewinnausgleich wird die Rollenverteilung in der Ehe berücksichtigt, durch die Ehepartner unterschiedliche Vermögenszuwächse erzielt haben und insoweit bei der Scheidung ein wirtschaftlicher Ausgleich erfolgen soll. Was ist also zu beachten?
- Den Zugewinnausgleich können Sie als nur in Ausnahmefällen verweigern, wenn es nämlich dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde, dass Sie den untreuen Partner an Ihrem Vermögenszuwachs beteiligen müssten (BGH FamRZ 1980, 768).
- Fehlverhalten im persönlichen Bereich, das sich wirtschaftlich nicht ausgewirkt hat, wird nur sehr einschränkend berücksichtigt. Meist geht es um ehezerstörerische Verhaltensweisen, die von einer gewissen Dauer und Intensität gewesen sein müssen.
- Da es sehr auf die Umstände im Einzelfall ankommt, ist die Rechtsprechung sehr uneinheitlich. So wurde ein Leistungsverweigerungsrecht bei einer ehebrecherischen Beziehung während drei Jahren in einer dreißigjährigen Ehe anerkannt (OLG Hamm FamRZ 1989, 1188), während die Untreue im letzten Dreivierteljahr einer zehnjährigen Ehe keine Berücksichtigung fand (OLG Köln, FamRZ 1979, 511).
Unterhalt bei Ehebruch ist ein schwieriges Thema. Es ist meist emotional geladen und mit Frust, Wut und Enttäuschung verbunden. Fordert ein untreuer Ehepartner trotz des Ehebruchs Unterhalt, wird es aus dessen Sicht oft Gründe geben, auf die Forderung nicht zu verzichten. Auf der anderen Seite ist das möglicherweise berechtigte Interesse des betrogenen Ehepartners zu berücksichtigen, dem es vielleicht nicht zuzumuten ist, über die Verletzung hinaus auch noch finanziell in der Verantwortung zu stehen. Lassen Sie sich am besten individuell beraten, ob und wie sich die Untreue in Ihrem konkreten Fall auf den Unterhaltsanspruch auswirkt.