Kennen Sie diese 9 kuriosen Unterhaltsfälle?

Freitag, 25.08.2023, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Wer behauptet, Familienangelegenheiten belasten und seien dröge, der irrt. Es gibt immer wieder Sachverhalte des alltäglichen Lebens, die durch ihre Klärung vor Gericht zum Schmunzeln anregen. Auch im Unterhaltsrecht, das meist als belastend, fordernd oder demütigend empfunden wird, gibt es immer wieder kuriose Fälle. Wir haben 9 solcher Fälle zusammengetragen.

Auch ein Hund ist unterhaltsbedürftig

Trennen sich Partner, braucht es meist eine Verständigung, wo der Familienhund künftig sein Leben fristet. Das Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 12.5.2006, Az. 2 UF 87/05) verpflichtete den Ehemann nach der Scheidung, für den bei der Ehefrau verbleibenden gemeinsamen Hund bis zu dessen Tod monatlich 100 € Unterhalt zu zahlen. Diese Vereinbarung sei ein Dauerschuldverhältnis, das nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Auch wenn das Gesetz keine Unterhaltspflicht für einen Hund begründet, war das Gericht der Ansicht, dass der Mann sich vertraglich rechtsverbindlich verpflichtet und nicht das Recht hatte, die monatlichen Unterhaltszahlungen zu beenden.

Kommentar: Bei jedem Hund ist’s anders

Die Entscheidung ist im Ergebnis sicherlich richtig, da der Hund gemeinsam angeschafft wurde und die Frau, die nach der Scheidung die Verantwortung für den Hund übernahm, nicht dafür bestraft werden sollte, dass sie allein die Kosten für den Unterhalt des Hundes zu tragen hätte.

 

In einem Fall des OLG München waren die Richter allerdings der Auffassung, dass es einem Partner kaum zumutbar sei, für die Gesamtlebensdauer eines Hundes den hälftigen Lebensunterhalt bezahlen zu müssen. Das Gericht regte deshalb einen Vergleich an. Danach einigten sich die Partner auf einen Betrag von 1500 € Unterhalt für die beiden gemeinsamen Hunde. Anders als beim Urteil des OLG Zweibrücken fehlte es hier an einer vorhergehenden vertraglichen Vereinbarung.

Was ist schon das bisschen Unterhalt (bei Jeff Bezos)?

Als sich der Gründer von Amazon, Jeff Bezos, von seiner langjährigen Ehefrau MacKenzie scheiden ließ, einigten sie sich auf eine „Entschädigung“ von bescheidenen 38 Milliarden Dollar. Ein Richter im Bezirk King County im US-Bundesstaat Washington besiegelte die Scheidung. Nach dem Milliardärsindex von Blomberg bleibt Jeff Bezos trotz der Abfindung der reichste Mensch der Welt. Seine Exfrau rückte auf Platz 22 vor und wurde zur viertreichsten Frau der Welt.

Kommentar: Was, wenn Familie Bezos in Deutschland prozessiert hätte?

Eine solche gigantische Entschädigung könnte durchaus auch nach deutschem Unterhaltsrecht realistisch sein. Geht es darum, den Trennungsunterhalt zu bemessen, wird nach deutschem Recht auf die ehelichen Lebensverhältnisse abgestellt. Wer reich verheiratet ist, hat zumindest nach der Trennung Anspruch darauf, seinen Lebensstandard aufrechterhalten zu dürfen. Nach der Scheidung ist jeder Expartner für sich selbst verantwortlich und kann nur noch insoweit Unterhalt fordern, als er/sie aufgrund der Lebenssituation unverschuldet finanziell bedürftig ist.

Naturalunterhalt in Form von Pizzen

Das Familiengericht im italienischen Padua erlaubte einem unterhaltspflichtigen Vater, den Unterhalt für sein Kind als Naturalunterhalt zu bestreiten. Der Mann war Pizzabäcker und erbrachte seine Unterhaltsleistungen in Form von Pizzen, Calzoni und anderen Lebensmittel aus seiner Pizzeria im Gesamtwert von etwa 400 €. Die Mutter des Kindes verlangte hingegen Bargeld. Das Gericht hatte Verständnis für den Mann, da Italien 2008 von einer Wirtschaftskrise erfasst wurde und er seine Pizzeria aus betrieblichen Gründen schließen musste. Außerdem habe er sich gegenüber seiner Tochter sehr fürsorglich verhalten. Da er sich so viel Mühe gab, durfte er den Unterhalt als Naturalunterhalt leisten. Kurioserweise drehten sich die Verhältnisse. Später lebte die Tochter beim Vater und die Mutter bezahlte 300 € Barunterhalt an ihren Exmann (Quelle: Hamburger Morgenpost v. 16.1.2017).

Kommentar: Wie viel Pizzen kann/sollte ein Kind wohl essen?

Nach deutschem Unterhaltsrecht ist der Kindesunterhalt immer in Bargeld zu leisten. Nur so lässt sich gewährleisten, dass der Lebensbedarf des Kindes gedeckt werden kann. Allein mit Pizzen oder Lebensmitteln oder sonstigen Naturalien lässt sich der Lebensbedarf eines Kindes kaum decken. Daran ändert auch nichts, wenn ein Elternteil finanziell nicht leistungsfähig ist. Es wird erwartet, dass ein unterhaltspflichtiger Elternteil alles Zumutbare unternimmt, um so viel Geld zu verdienen, dass er/sie seiner Unterhaltspflicht gerecht wird.

Ausreiseverbot bis zum Jahr 9999

Wer als Ausländer in Israel lebt, muss mit einem Ausreiseverbot rechnen, wenn er Unterhaltszahlungen schuldig bleibt. Einem australischen Vater wurde verboten, Israel offiziell bis zum 31. Dezember 9999 zu verlassen. Der Mann war 2012 nach Israel gezogen, um näher bei seinen beiden kleinen Kindern zu leben, nachdem seine frühere Ehefrau nach Israel zurückgekehrt war. Wegen der offenen Urteilsverbindlichkeiten wurde faktisch eine Ausreisesperre von 8000 Jahren verhängt. Es wird vermutet, dass eine unbekannte hohe Anzahl von Ausländern von dieser seltsam anmutenden gesetzlichen Regelung betroffen sind (Quelle: Sidney News vom 28.12.2021).

Kommentar: In beengten Verhältnissen ist Mehrverdienen noch schwieriger

Nach deutschem Recht kommt eine Haftstrafe übrigens nur in Betracht, wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil vorsätzlich seine Unterhaltspflichten ignoriert und dadurch den Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes gefährdet (§ 170 StGB). Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass ein inhaftierter Elternteil erfahrungsgemäß noch weniger in der Lage ist, eigenes Geld zu verdienen und Unterhaltszahlungen zu leisten.

Wenn Zwillingsväter tricksen wollen

Der Vater eines Kindes ist dem Kind unterhaltspflichtig. Ist der Vater mit der Mutter verheiratet, gilt er rechtlich als Vater des Kindes. Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, muss die Vaterschaft freiwillig anerkannt oder gerichtlich festgestellt werden. Zur Feststellung der Vaterschaft kann das Gericht einen DNA-Test anordnen. Problematisch wird es, wenn der Vater einen identischen Zwilling hat.

 

In einem Fall des OLG Oldenburg schickte ein Mann seinen Zwillingsbruder zum Vaterschaftstest. Als das Ergebnis negativ war, ordnete das Gericht auf Anregung der Mutter einen weiteren Test an. Im zweiten Anlauf wurde der Mann als richtiger Vater identifiziert und dadurch seine Unterhaltspflicht begründet. Das Gericht sah sich von Amts wegen veranlasst, die Akte der Staatsanwaltschaft zu übersenden, um wegen des Verdachts des Betruges die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen beide Brüder zu prüfen (OLG Oldenburg, Beschluss v. 19.4.2021, Az. 3 UF 138/20).

 

Anders war es in einem Fall des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 30.1.2013, Az. 15 UF 51/06). Die Richter waren der Ansicht, dass bei eineiigen Zwillingsbrüdern, die beide als Vater in Frage kommen, mit einem Vaterschaftstest nicht festgestellt werden könne, wer der Vater sei. Dementsprechend müsse die Frage der Vaterschaft offenbleiben. Dies sei zwar frustrierend, aber zwangsläufig.

Kommentar: Gericht in Brasilien greift richtig durch

Ein Gericht in Brasilien hatte weniger Probleme. Auch hier konnte ein gerichtlicher angeordneter DNA-Test keinen der Zwillinge als Vater des Kindes identifizieren. Weil beide Zwillinge genetisch identisch waren, ließ das Gericht kurzerhand beide als Väter in die Geburtsurkunde eintragen und verpflichtete beide zum Barunterhalt.

Lottogewinn kann Glück und Ärger bedeuten

Gewinnt ein Ehepartner während der bestehenden Ehe im Lotto, wird der andere im Fall der Scheidung an diesem Zugewinn beteiligt. Der Bundesgerichtshof hat insoweit klargestellt, dass ein Mann seine ehemalige Lebensgefährtin, von der er bereits acht Jahre getrennt lebte, Anspruch auf die Hälfte seines Lottogewinns hat. Der nach dem Lottogewinn eingereichte Scheidungsantrag kam insoweit zu spät. Grund ist, dass der Zugewinn auf den Stichtag berechnet wird, auf den der Scheidungsantrag dem Ehepartner durch das Familiengericht zugestellt wird. Solange die Scheidung nicht beantragt oder der eingereichte Scheidungsantrag nicht zugestellt ist, fließt jeder Vermögensgewinn in den späteren Zugewinnausgleich ein. In der Konsequenz musste der Mann seine Frau am Lottogewinn beteiligen (BGH, Urteil v. 16.10.2013, Az. XII ZB 277/12).

Kommentar: Reibach nach der Trennung nicht mehr relevant

Die Stichtagsregelung für die Berechnung des Zugewinnausgleichs macht die Berechnung einfach und überschaubar. Dass ein Ehepartner die Beteiligung des anderen an seinem Zugewinn als ungerecht empfindet, lässt sich nur vermeiden, dass der Scheidungsantrag spätestens dann gestellt werden sollte, wenn jede Chance auf wieder Versöhnung ausgeschlossen erscheint. Jedes Zuwarten bedeutet Risiko. Trostreich dürfte zumindest sein, dass ein Lottogewinn unterhaltsrechtlich keine Rolle spielen dürfte. Der Trennungsunterhalt bemisst sich nämlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Soweit der Lottogewinn sich nach der Trennung einstellt, ist er für die ehelichen Lebensverhältnissen nicht mehr prägend.

Trennungsunterhalt auch ohne Zusammenleben

Leben die Partner getrennt, hat der bedürftige Partner auch dann Anspruch auf Trennungsunterhalt, wenn die Partner zuvor nicht zusammengelebt noch nicht gemeinsam gewirtschaftet haben („living apart together“). Der Anspruch nach § 1361 BGB setze nämlich nicht voraus, dass die Partner vor der Trennung in eine gemeinsame Wohnung gezogen sein oder sonst wie zusammengelebt hätten. Auch brauche es nicht zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen zu sein. Entscheidend sei allein, dass zwischen den getrenntlebenden Partnern keine häusliche Gemeinschaft besteht und die Ehepartner diese erkennbar nicht oder nicht wiederherstellen wollen. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Partner vorher zusammengelebt und die Trennung dadurch herbeigeführt haben, dass sie eine häusliche Gemeinschaft aufgehoben hätten (BGH, Beschluss vom 19.2.2020, Az. XII ZB 358/19).

Kommentar: Ein schmaler Grat

Wer die Eheschließung vollzieht, akzeptiert auch die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Dazu gehört insbesondere die finanzielle Verantwortung für den bedürftigen Partner, und zwar unabhängig davon, ob die Ehe vollzogen wurde oder nicht. Wollte man anders urteilen, wäre einem Streit, ob und wie lange die Partner zusammengelebt hätten, Tor und Tür geöffnet. Die Rechtsprechung stünde vor der Herausforderung, entscheiden zu müssen, ab wann ein Zusammenleben eheliche Pflichten begründet und wann nicht. Wer diese Konsequenzen vermeiden möchte, muss auf die Eheschließung verzichten.

Morgengabe ist kein Trennungsunterhalt

Zahlt ein Ehegatte nach marokkanischem Recht eine Abfindungsleistung an die geschiedene Ehefrau, stellt die Zahlung keinen Trennungsunterhalt dar. Die Frau hatte in Deutschland nach wie vor Anspruch auf die Zahlung von Trennungsunterhalt in Form von Bargeld. Grund ist, dass Trennungsunterhalt zum Lebensbedarf beitragen soll und eine einmalige Abfindung nicht geeignet sei, diesem Zweck gerecht zu werden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.3.2019, Az. 11 WF 19/19).

 

In einem ähnlichen Fall stellte das OLG Oldenburg (Beschluss v. 1.6.2022, Az. 13 UF 82/21) klar, dass ein libyscher Ehemann, der seine Frau nach islamischen Recht geheiratet hatte, verpflichtet bleibe, der Frau eine Abendgabe zu zahlen und zwar auch dann, wenn die Frau in Deutschland auf Sozialhilfe oder Bürgergeld angewiesen ist. Der Mann verteidigte sich damit, dass die Abendgabe deshalb vereinbart wurde, weil es in Libyen keine staatliche Absicherung gebe und die Abgabe dort gerechtfertigt sei. Weil die Frau in Deutschland Sozialhilfe beziehe, sei dies anders. Das Gericht stellte klar, dass Sozialhilfe immer nur nachrangig gewährt werde und der Mann verpflichtet bleibe, die vertraglich vereinbarte Angabe zu leisten.

Trennungsunterhalt auch bei arrangierter Ehe

Auch bei einer arrangierten Ehe besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall (s.o. Trennungsunterhalt auch ohne Zusammenleben) hatte zudem die Besonderheit, dass die Ehe von den Eltern, die einen indischen kulturellen Hintergrund hatten, arrangiert wurde. Nach der Eheschließung lebte die Frau bei den Eltern in Deutschland, der Mann lebte in Paris und arbeitete dort als Wertpapierhändler. Eine sexuelle Beziehung gab es nicht. Auch insoweit stellten die Richter klar, dass es nicht darauf ankomme, ob die Ehepartner vor der Trennung zusammengezogen sind oder zusammengelebt haben. Entscheidend sei allein, dass die Ehe, auch wenn sie von den Eltern arrangiert wurde, wirksam geschlossen wurde und die damit verbundenen Rechte und Pflichten durch die Eheschließung begründet wurden (BGH, Beschluss vom 19.2.2020, Az. XII ZB 358/19).

Haben Sie selbst einen kuriosen Fall erlebt?

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