Welche Rolle spielen "Liebhaberei"-Tätigkeiten im Unterhalt?

Mann Arbeitet In Werkstatt iurFRIEND® AG

Mittwoch, 02.08.2023, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Der Unterhaltsschuldner ist verpflichtet, seine Arbeitskraft so einzusetzen, dass er/sie in der Lage ist, den Unterhalt zu leisten. Übt er oder sie eine Tätigkeit aus, bei der das Einkommen in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand steht, stellt sich die Frage, ob er/sie zur Aufgabe oder gar Professionalisierung des Engagements verpflichtet ist. Im Steuerrecht werden solche Gegebenheiten als Liebhaberei betitelt. Diese können auch auf das Unterhaltsrecht übertragen werden und betreffen auch den Unterhaltsempfänger, wenn dieser erwerbspflichtig ist und wegen seiner Liebhabereitätigkeit nicht das Geld verdient, das er/sie bei einem ernsthaften Engagement zur Entlastung des Unterhaltsschuldners eigentlich verdienen könnte.

Was sind "Liebhaberei"-Tätigkeiten?

Wird eine Tätigkeit als Liebhaberei definiert, können die sich daraus meist ergebenen Verluste nicht bei der Bemessung von Einkommensteuern oder Gewerbesteuern berücksichtigt werden. Schließlich ist der Betrieb eines Unternehmens typischerweise darauf ausgelegt, Gewinne zu erwirtschaften. Damit sich Gewinne und Verluste steuerlich niederschlagen, muss die Absicht bestehen, Einkünfte zu erzielen.

 

Insbesondere Verluste können nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn der Unternehmer ernsthaft versucht, erfolgreich im Unternehmen zu wirtschaften. Dazu muss er aktiv versuchen, Verluste zu vermeiden und Gewinne zu erzielen. Ist dies nicht der Fall, wird Liebhaberei unterstellt. Dies bedeutet, dass der Unternehmer die Tätigkeit nur aus vorwiegend privatem Interesse führt und die damit verbundenen Verluste steuerlich keine Berücksichtigung finden.

Beispiel 1: Unterhalt bei unvermieteter Ferienwohnung

Eine Ferienwohnung sollte offiziell vermietet werden. Da keine Besucher darin wohnten und die Wohnung überwiegend für private Zwecke genutzt wurde, verweigerte das Finanzamt, die Verluste der Ferienwohnung (Unterhaltung, Zinsen für die Finanzierung des Kaufpreises, Abschreibung) mit dem normalen Einkommen des Steuerschuldners zu verrechnen. Es sei offensichtlich, dass die vermeintliche Vermietung der Ferienwohnung in Wirklichkeit dem privaten Interesse völlig untergeordnet sei und der Betreiber von vornherein kein Interesse dran hatte, aus der Vermietung Gewinne zu erwirtschaften. Wäre es im Fall auch um Unterhaltspflichten gegangen, hätte sich der Unterhaltsschuldner Liebhaberei vorwerfen und fiktive Einkünfte anrechnen lassen müssen.

Beispiel 2: Modegeschäft an nicht lukrativem Standort

Die Geschäftsführerin einer GmbH betrieb ein Modegeschäft für Damen und Herrenmode. Die erheblichen Verluste wurden anfangs vom Finanzamt anerkannt und mit anderen positiven Einkünften verrechnet. Später verweigerte das Finanzamt die Anerkennung der Verluste und verwies darauf, dass es sich bei dem Betrieb um eine Fehleinschätzung gehandelt und die Tätigkeit überwiegend der Befriedigung persönlicher Neigungen gedient habe. Die Geschäftsführerin hätte nach den anfänglichen Verlusten erkennen müssen, dass der Standort für den Verkauf hochwertiger Mode ungeeignet sei. Unter dem Strich wurde Tätigkeit als Liebhaberei eingeordnet.

Liebhaberei-Tätigkeit im Unterhaltsrecht

Der an sich steuerliche Begriff der Liebhaberei-Tätigkeit und die damit verbundenen Aspekte lassen sich auch auf das Unterhaltsrecht übertragen. Der Vorwurf der Liebhaberei-Tätigkeit betrifft Unterhaltsschuldner Unterhaltsgläubiger gleichermaßen.

 

Unterhaltspflichtig ist derjenige, der finanziell leistungsfähig ist. Übt ein Unterhaltsschuldner eine "Liebhaberei"-Tätigkeit aus, ist er meist nicht in der Lage, den geschuldeten Unterhalt zu leisten und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er seine Unterhaltspflichten mindestens grob fahrlässig missachtet.

 

Umgekehrt ist nur derjenige unterhaltsberechtigt, der finanziell bedürftig ist. Gleiches gilt deshalb für den erwerbsfähigen und erwerbspflichtigen Unterhaltsgläubiger, der es vorwerfbar unterlässt, zu Lasten des Unterhaltsschuldners eigenes Geld zu verdienen. Genauso wie sich der Unterhaltsschuldner eine Liebhabereitätigkeit vorwerfen und fiktive Einkünfte anrechnen lassen muss, muss sich der erwerbsfähige Unterhaltsgläubiger vorwerfen lassen, dass sein Engagement Liebhaberei darstellt und er/sie bei einem zumutbaren Einsatz der eigenen Arbeitskraft ausreichend Geld für den eigenen Lebensunterhalt erwirtschaften könnte.

Was sind fiktive Einkünfte?

Im Unterhaltsrecht besteht anders als im Steuerrecht die Besonderheit, dass es um die Zurechnung theoretisch erzielbarer, sogenannter fiktiver Einkünfte geht. Dazu muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Unterhaltsschuldner oder umgekehrt der Unterhaltsgläubiger auf dem heutigen Arbeitsmarkt eine realistische Chance hat, eine Beschäftigung zu finden und Geld zu verdienen, das es erlaubt, unter Wahrung des Selbstbehalts Unterhalt zu leisten oder umgekehrt auf Unterhalt nicht angewiesen zu sein. Insoweit setzt die Zurechnung fiktiver Einkünfte voraus, dass der Betreffende nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden und bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte.

Welche Aspekte sind bei "Liebhaberei"-Tätigkeiten ausschlaggebend?

Die Aspekte, die im Steuerrecht eine "Liebhaberei"-Tätigkeit ausmachen, lassen sich ohne weiteres auch auf das Unterhaltsrecht übertragen. Das Steuerrecht bezeichnet eine Tätigkeit als Liebhaberei, wenn eine berufliche Tätigkeit fortlaufend zu Verlusten führt und anzunehmen ist, dass offensichtlich keine Gewinne erwirtschaftet werden.

Keine Gewinnerzielungsabsicht und/oder -chance

Subjektiv ist anzunehmen, dass keine Gewinnerzielungsabsicht besteht und auch objektiv keine Chance besteht, Gewinne zu erzielen. Indiz dafür ist, dass die Tätigkeit trotz andauernder Verluste über die anfängliche normale Anlaufzeit fortgeführt und trotz anhaltender fortlaufender Verluste nicht aufgegeben oder die Art der Betriebsführung angepasst. Anfangsverluste sind zwar normal, dokumentieren aber oft gleichzeitig, dass der Betreffende kein wirtschaftlich schlüssiges Konzept hat, die Verlustzone irgendwann zu verlassen. Auf Dauer betrachtet ist insgesamt kein Überschuss zu erwarten (Totalgewinnprognose).

Zeitraum von 5 Jahren nicht immer bindend

Bei der Totalgewinnprognose wird darauf abgestellt, dass junge und kleinere Unternehmen anfänglich normalerweise Verluste einfahren. Es gibt aber keine allgemeingültige Regelung, wie lange diese Verlustphase andauern darf. Soweit aus Sicht des Finanzamtes von vornherein erkennbar ist, dass der Betrieb mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Gewinne einfahren wird, sind Verluste nicht anzuerkennen. Dies gilt insbesondere, wenn kein betriebswirtschaftlich schlüssiges Konzept besteht und sich es sich bei der Tätigkeit um eine Allerweltstätigkeit handelt, bei der viel Konkurrenz besteht und die zu erwartenden Gewinne ohnehin gering sind. Auch wenn gewöhnlich von einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren Anlaufzeit ausgegangen wird, muss die Dauer der Anlaufphase individuell und branchenbezogen bestimmt werden.

 

Die Gegebenheiten lassen Sie am besten anhand konkreter Beispiele nachvollziehen.

Beispielentscheidung 1: Unterhalt bei schlecht laufendem Online-Shop

Der Vater eines Kindes betrieb einen Onlineshop. Aus den Erträgen konnte er keinen Kindesunterhalt zahlen. Eine vollschichtige Tätigkeit als Hilfsarbeiter hatte er aufgegeben, um sich besser dem Betrieb widmen zu können. Das Oberlandesgericht des Saarlandes (Beschluss vom 28.4.2010, Az. 9 WF 41/10) belehrte den Mann, dass er sich nicht auf seine Leistungsunfähigkeit berufen könne. Gegenüber seinen minderjährigen Kindern stehe er in einer gesteigerten Erwerbspflicht und müsse sich unterhaltsrechtlich ein theoretisch erzielbares „fiktives“ Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis (im Beispiel in Höhe von mindestens 1448 €) anrechnen lassen.

 

Der Umstand, dass er seit Jahren selbstständig erfolglos tätig sei, lasse nur den Schluss zu, dass die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich nicht vertretbar sei und das Einkommen in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stehe. Es handele sich insoweit um eine „Liebhaberei“. Er könne sich nicht darauf berufen, eine solche unwirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen zu wollen. Vielmehr müsse er seine Selbstständigkeit aufgeben und eine besser bezahlte abhängige Erwerbstätigkeit annehmen. Dass ihm dies dies möglich sei, habe er bewiesen, als er als Hilfsarbeiter tätig war und zumindest so viel Geld verdiente, dass er die Kinder hätte finanziell unterstützen können.

Beispielentscheidung 2: Bei Übergang vom Angestellten zum Selbstständigen

Das OLG Köln (Az. 4 UF 172/05) stellte klar, dass ein Unterhaltspflichtiger nicht seine Arbeitsstelle kündigen und sich selbstständig machen könne, wenn er den Unterhalt mit der Begründung kürzt, er verdiene weniger als er zuvor als Angestellter verdient habe. Da der Mann vorwerfbar seine Einkünfte reduziert habe, müsse er sich seine vorherigen Einkünfte als theoretisch erzielbares fiktives Einkommen weiterhin anrechnen lassen. Er könne sich im Hinblick auf seine nunmehr selbstständige Tätigkeit nicht auf seine fehlende Leistungsunfähigkeit berufen. Das Wagnis der Selbstständigkeit bei Aufgabe einer abhängigen Beschäftigung müsse gewährleisten, dass der bisherige Unterhalt weiterhin gezahlt werden könne. Es sei einzukalkulieren, dass im Hinblick auf die Unterhaltspflichten die Anlaufphase durch finanzielle Reserven, Kredite oder öffentliche Unterstützungsleistungen abgesichert ist.

Alles in allem

Die Frage ob unterhaltsrechtlich der Vorwurf einer Liebhaberei-Tätigkeit begründet ist, kann eine Gratwanderung darstellen. Soweit das Engagement dazu dient, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen, sollten Sie sich anwaltliche Hilfe holen, genauso wenn Sie das Gefühl haben, die Gegenseite macht mehr aus Ihrer Hobbytätigkeit, als eigentlich ist.

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