Darf man Unterhalt während Unternehmensgründung aussetzen?

Mittwoch, 08.03.2023, geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Die Höhe des Unterhalts für Kind und Ex-Partner bestimmt sich nach dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Partners. Ist der Unterhaltspflichtige angestellt, ergibt sich das Einkommen aus den Gehaltsabrechnungen. Auch die abzugsfähigen Verpflichtungen lassen sich relativ einfach nachvollziehen. Gründet der Unterhaltspflichtige nach der Trennung oder Scheidung jedoch ein eigenes Unternehmen, gestalten sich die Einkommensverhältnisse schwieriger. Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit man unternehmerische Risiken wie die Aufnahme eines Kredits auf sich nehmen darf und damit seine finanziellen Möglichkeiten gefährdet, Unterhalt zahlen zu können.

Unternehmensgründung nicht verboten, aber...

Es ist niemandem verwehrt, ein Angestelltenverhältnis aufzugeben und ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dies gilt auch, wenn die Unternehmensgründung offensichtlich mit Risiken verbunden ist. Haben Sie als Elternteil oder als Ex-Partner jedoch Unterhaltspflichten zu erfüllen, stehen Sie in einer besonderen Verantwortung.

 

Als Elternteil sind Sie insbesondere gegenüber einem minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kind unterhaltspflichtig und stehen insoweit in einer gesteigerten Unterhaltspflicht. Gegenüber dem unterhaltsbedürftigen Ex-Partner ergibt sich die Unterhaltspflicht aus der auch nach der Trennung und Scheidung bestehenden ehelichen Solidarität, wenn der Ex- Partner aufgrund seiner Lebensumstände auf Ihre finanzielle Unterstützung angewiesen ist.

 

Erwirtschaften Sie als selbstständiger Unternehmer wegen der Unternehmensgründung offensichtlich und aller Wahrscheinlichkeit nach aber nur Verluste, müssen Sie das Unternehmen aufgeben und eine abhängige Erwerbstätigkeit annehmen, wenn und weil Sie sonst auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage wären, Ihre Unterhaltspflichten zu erfüllen. Da Sie zu diesem Schritt aber nicht gezwungen werden können, ist zur Beurteilung Ihrer Leistungsfähigkeit darauf abzustellen, was Sie im Fall der theoretisch denkbaren (fiktiven) Aufnahme einer bezahlten Erwerbstätigkeit voraussichtlich verdienen würden. Ihnen werden also theoretisch erzielbare (fiktive) Einkünfte unterstellt.

Alternativen Nebenjob oder nebenberufliche Selbstständigkeit

Reichen Ihre Einkünfte als Unternehmer nicht aus, um den Unterhalt zu bedienen, könnte statt der Aufgabe des Unternehmens auch in Betracht kommen, dass Sie eine bezahlte Nebenbeschäftigung annehmen oder Ihre Arbeitszeit im Angestelltenverhältnis reduzieren und zumindest so viel verdienen, dass Sie Unterhalt zahlen können.

 

Dieser Ansatz ist umso gewichtiger, wenn es keine wirklich überzeugenden Gründe gibt, eine vielleicht gut bezahlte angestellte Tätigkeit aufzugeben und sich auf das Risiko einer schwierig kalkulierbaren Unternehmensgründung einzulassen. Handeln Sie dazu noch in der erkennbaren Absicht, Ihre Unterhaltspflichten auf diesem Weg zu vereiteln, wird Ihnen erst recht eine gesteigerte Unterhaltspflicht angelastet. Dabei sollte nicht außer Betracht gelassen werden, dass die vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht auch ein strafbares Verhalten darstellen kann.

 

Zu Ihren Gunsten darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die Gründungsphase allzu oft typische finanzielle Belastungen mit sich führt, die Sie nicht sofort dazu nötigen dürfen, das Unternehmen aufzugeben und eine angestellte Tätigkeit zu übernehmen. Selbst wenn Sie das Unternehmen aufgeben und eine abhängige Tätigkeit aufnehmen, ist Ihnen wegen der damit oft einhergehenden Verschuldung im Regelfall eine gewisse Karenzzeit zuzubilligen, nach der die Leistungsfähigkeit zu bemessen ist.

Welchen Zweck haben fiktive Einkünfte?

Wenn dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte angerechnet werden, hat der Unterhaltsberechtigte noch lange kein Geld. Fiktive Einkünfte sind eben nur theoretisch unterstellte Einkünfte, die sich nicht in Bargeld umformen lassen. Der Zweck fiktiver Einkünfte besteht darin, dass der Unterhaltsanspruch begründet ist und sich rechtsverbindlich feststellen, sprich per Gerichtsbeschluss titulieren lässt.

 

Aufgrund der rechtsverbindlichen Feststellung kann der Unterhaltsberechtigte die Ansprüche dann geltend machen, wenn der Unterhaltspflichtige wieder liquide ist. Es besteht kein Risiko, dass die Unterhaltsansprüche verjähren oder sonst wie verloren gehen. Die Feststellung fiktiver Ansprüche führt also dazu, dass die Unterhaltsansprüche festgeschrieben werden.

Welche Rolle spielt der Gewinn des Unternehmers?

Steht die Unterhaltspflicht zur Debatte, kann ein Ansatzpunkt darin bestehen, wie der Gewinn des Unternehmens berechnet wird. Bei Selbstständigen genügt zum Nachweis des Einkommens nicht allein die Vorlage des Steuerbescheides. Vielmehr muss daneben auch die Steuererklärung überreicht werden. Nur so lässt sich die unterhaltsrechtliche Relevanz von Ausgaben überprüfen. Insoweit können dem Gewinn steuerfreie Einnahmen, wie

  • Investitionszulagen,
  • Haushaltsfreibetrag,
  • Abschreibungen
  • oder Sonderabschreibungen hinzuzurechnen sein.

Auch Privatentnahmen sowie Steuererstattungen oder Personalkosten als Lohn für den neuen Lebenspartner können gewinnerhöhende Auswirkungen haben.

Pflichten des unterhaltspflichtigen Neuunternehmers bei ausbleibendem Gewinn

Auch können sich aus dem rechnerisch bezifferten Einkommen und der konkreten Lebensführung des Unternehmers Divergenzen ergeben. So kann die Lebensführung nicht außer Betracht gelassen werden, wenn sie offensichtlich dem vorgelegten Zahlenmaterial (Bilanz, BWA) widerspricht und der Unterhaltspflichtige den Widerspruch zwischen dem steuerlich erfassten Einkommen und den privaten Ausgaben nicht aufklären konnte oder wollte (OLG Frankfurt FamRZ 1992, 66).

 

Wird der Unterhaltsstreit gerichtlich ausgetragen, kann das Gericht einen Sachverständigen beiziehen und eventuell begründete Zweifel zugunsten des Unterhaltsberechtigten berücksichtigen. Zudem kann das Gericht unklare Positionen unter Zuhilfenahme von Erfahrungswerten in vergleichbaren Fällen schätzen und so ein höheres Einkommen unterstellen (BGH FamRZ 1993, 789).

 

Erzielt der Unternehmer keinen Gewinn, kann von ihm verlangt werden, dass er nur solche Investitionen vornimmt, die zur Weiterführung des Betriebs unbedingt erforderlich sind. Es kann sich auch die Verpflichtung ergeben, seine Kreditfähigkeit zur Erfüllung der Unterhaltspflichten einzusetzen und zur Führung der Unterhaltspflichten einen Kredit aufzunehmen (BGH FamRZ 1986, 556).

GUT ZU WISSEN

Vollstreckungsmaßnahmen wirkungslos, aber trotzdem hinderlich

Sind Sie unterhaltspflichtig, riskieren Sie, dass der Unterhaltsberechtigte Sie mit Vollstreckungsmaßnahmen überzieht. Auch wenn diese Maßnahmen ins Leere gehen, stellen diese oft eine erhebliche Belastung unternehmerischer Abläufe und der persönlichen Entscheidungsfreiheit dar. Sie müssen kalkulieren, dass die nichtbezahlten Unterhaltsbeträge mit der Zeit auflaufen und Sie sich früher oder später Forderungen gegenübersehen, die Sie dann vielleicht wirklich nicht mehr bedienen können.

Zum Ratgeber: Unterhaltspfändung

GUT ZU WISSEN

Vollstreckungsmaßnahmen wichtig, aber nicht die beste Wahl

Sind Sie unterhaltsberechtigt und Ihre Unterhaltsansprüche rechtsverbindlich festgeschrieben (tituliert), können Sie die Zwangsvollstreckung versuchen. Berücksichtigen Sie jedoch, dass Sie damit die Unternehmensgründung des Unterhaltspflichtigen möglicherweise torpedieren und es dem Unternehmensgründer unmöglich machen, in der Startphase Fuß zu fassen. Unter Umständen kann es sich auszahlen, zuzuwarten, bis die nötige Liquidität vorhanden ist. Es empfiehlt sich, wenn möglich, über die anstehenden Unterhaltszahlungen Absprachen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen, bei denen die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt werden.

Gesteigerte Unterhaltspflicht beim Kindesunterhalt

Elternteile stehen gegenüber ihrem minderjährigen und privilegiert volljährigen Kind in einer gesteigerten Unterhaltspflicht. Sie sind verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt zu verwenden. Der Selbstbehalt gewährleistet, dass dem Unterhaltspflichtigen ein Mindesteinkommen verbleibt, mit dem der eigene Lebensunterhalt abgesichert wird. Liegt das Einkommen nach einer Unternehmensgründung aber unterhalb dieses Selbstbehalts, stünde rechnerisch kein Geld für den Unterhalt des Kindes mehr zur Verfügung.

 

Aufgrund der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind ist es dann Aufgabe des Familiengerichts, den Selbstbehalt anzupassen. Ziel dabei ist, dass der Unterhaltspflichtige wenigstens den Mindestunterhaltsbetrag nach der Düsseldorfer Tabelle bezahlt.

 

Zugleich sollte dem Unterhaltspflichtigen der Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in der jeweiligen Lebenssituation sicherstellt. Eine Unterhaltspflicht auch gegenüber einem Kind besteht also nicht, soweit der Unterhaltspflichtige infolge seiner Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde.

Keine gesteigerte Unterhaltspflicht beim Erwachsenenunterhalt

Die Unterhaltsansprüche beim Trennungs- und Ehegattenunterhalt bestimmen sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Insoweit besteht ein Unterschied zum Kindesunterhalt. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind (Stichtag).

 

Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nur dann aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren. Soweit sich die Lebensverhältnisse nach der Scheidung ändern, ist es eine Frage des Einzelfalls, ob diese Änderungen ausnahmsweise berücksichtigungsfähige Änderungen der ehelichen Lebensverhältnisse darstellen. So wäre eine unverschuldete Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, während die willkürliche Aufgabe der Berufstätigkeit, vielleicht in Verbindung mit einer Unternehmensgründung, nicht zu berücksichtigen wäre.

 

Im Unterschied zum Kindesunterhalt besteht jedoch keine gesteigerte Unterhaltspflicht. Die Unterhaltspflicht besteht im Regelfall nur insoweit, als der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ex-Partners nicht unterschritten wird. Wirft das Unternehmen also nur so viel Gewinn ab, dass der Ex- Partner sein Lebensunterhalt sicherstellen kann, dürfte der unterhaltsberechtigte Ex-Partner meist leer ausgehen.

Alles in allem

Die Antwort, inwieweit sich die durch die Unternehmensgründung verursachten finanziellen Schwierigkeiten auf den Unterhalt auswirken, lässt sich nur im Einzelfall zuverlässig geben. Es empfiehlt sich, dass Sie sich als Unterhaltspflichtiger oder als Unterhaltsberechtigter anwaltlich informieren und beraten lassen, wenn Sie im Hinblick auf die Unternehmensgründung Unterhalt fordern oder umgekehrt Unterhalt leisten müssen.

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